36
Erste
Epoche.
verschieden geurtheilt. Einige haben sie als die Ursache
des rhristlichen Charakters der Kunst des Mittelalters ge-
priesen e), andere sie für alle Mängel derselben verant-
Wortlich gemacht. Beides ist sehr übertrieben und beruht
auf einer Verkennung der Verhältnisse.
Die G-eistlirhkeit bildete damals nicht in dem Sinne wie
heute einen einzelnen Stand , sie umfasste vielmehr alle
Stände, mit Ausschluss des Waffbnanltes und (ler niedrig-
sten Stufe des Verkehrs. Eine 'l'heilung der Arbeiten,
wie sie sich in civilisirten Zeiten naturgemäss bildet, war
überall noch nicht eingetreten; in den Schulen der Klöster
und der Bischöfe Wurden alle Künste und Wissenschaften
und selbst alle Irlandwerke gelehrt. Zu der Einsicht, dass
gewisse Leistungen besondere natürliche Anlagen forderten,
(lass derselbe Schüler in einer Beziehung sehr fähig und
(lesscn ungeachtet für andere Aufgaben unbrauchbar sein
könne. war man noch nicht gelangt. Man unterrichtete
tiaher die begabtereil in allen Fächern, hielt den Gelehrten
zu Allem berufen und nahm ihn für Alles in Anspruch.
Freilich machte sich die Verschiedenheit des 'l'alentes immer
geltentl, viele bewiesen sich ohne Zweifel liir künstlerische
Arbeiten ganz untüchtig, und es verstand sich von selbst,
dass man, besonders bei grössereil und wichtigeren Unter-
nehmungen sich nach dem Fähigsten und Bewährtesten
unter den ltlitgliedern des Diöeesanklerus oder des Klosters
nmsah. Allein schon wegen dieser Beschränkung auf einen
engeren Kreis konnte man nicht sehr ängstlich wählen und
sah jedenfalls mehr auf technische Kenntnisse als auf einen
geistigen Beruf. Daher finden wir Fast kein Beispiel, dass
einer der ausgezeichneten Männer nur in Einer Kunst ge-
m) Montalembert, Part et les moines
p. 121, und Krauser in den Dombriefen
christlichen Kirchenbau.
in den Annal. archaeol. VI.
und dem Werke über den