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Scnlptur.
an, welche im Inneren der Kirchen an den Wänden der-
selben oder an der Brustwehr des Chores angebracht sind,
und am meisten in den sächsischen Gegenden vorkommen.
Hier tritt nun schon eine nähere Einwirkung der Archi-
tektur ein, indem diese Gestalten oder Gruppen bald mit,
bald ohne besondere Einrahmung stets mit einer rhythmi-
schen Wiederkehr an bestimmten Stellen des Baues ange-
bracht sind, und mithin der Wirkung desselben entsprechen
mussten. Das leisten sie denn auch in der 'l'hat. Die
Zeichnung der Figuren ist allerdings noch sehr unvoll-
kommen; der Körper ist oft zu kurz, das Gesicht im Kinn
und in der Nase fast rechtwinkelig heraustretend, die Au-
gen sind allzutiefliegend, die Ohren zu klein und. unrichtig
gestellt, die Bewegungen eckig und gespreizt, die Falten
der Gewänder geradlinig und streng symmetrisch. Aber
alle diese Mängel, welche uns in genauen Nachzeichmmgen
oder beim Anblick vereinzelter Gypsabgüsse e") schroff und
verletzend entgegentreten, Werden, wenn man diese Bild-
werke an ihrer ursprünglichen Stelle sieht, kaum bemerkt,
oder doch durch den architektonischen Zusammenhang mit
dem Gebäude selbst bedeutend gemildert. Wir empfinden
hier nur den Eindruck kirchlicher Feierlichkeit, strengen
Ernstes, ruhiger Kraft. Die ältesten unter diesen Bild-
werken scheinen die Stuckreliefs in der Klosterkirche zu
Westergröningen bei Halberstadt, Christus und die
Apostel darstellend 4141) , zu sein. Daran reihen sich ähn-
liche, aber bereits Weicher behandelte Gestalten an den
Chorbrüstungen in der Liebfrauenkirche zu Ilalberstadt
und in Hamersleben, und die grossen Reliefs stehender
Heiligen an den Wänden der Michaeliskirehe zu Hildes-
Ü Z. B. an denen der grossen Wandreliefs aus der Michaelis-
kirche in Hildesheim, die sich im Museum zu Berlin befinden.
i") Kugler, die Schlosskirche zu Quedlinburg, S. 103.