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Plastik.
Dome zu Merseburg er). Diese Werke lassen, im V er-
gleiche mit den Reliefs des Bernward, allerdings einen
grösseren Einfluss des byzantinisirenden Styles erkennen,
sie zeigen aber auch die Bedeutung und die Gränzen dieses
Einflusses. Die Gestalt König Rudolphls, etwa zwei Drittel
der Lebensgrösse, ist im königlichen Ornate, mit langer
Tunica, kurzem Oberwams oder Harnisch und langem
Mantel bekleidet, alles mit Andeutung reicher Stickereien;
es ist zwar nicht die Tracht des Hofes von Konstantinopel,
aber doch etwas ihr Aehnliches. Der Mantel fällt in vol-
len, strenggehaltenen, aber natürlichen, nicht übermässig
gehäuften Falten. Der Kopf steht in ganz senkrechter
Haltung auf dem Körper, das Gesicht bildet ein sehr re-
gelmässiges, etwas spitzes Oval, die Züge sind bewe-
gungslos, die grossen, weit geöffneten Augen starr, die
Ohren fast in der Höhe des Auges stehend, der Bart ist
sorgfältig angedeutet. Eine absichtliche Anmäherung an
byzantinischen Styl ist also nicht vorhanden, aber wohl
eine entfernte Verwandtschaft mit demselben. Der naive
rohe
Naturalismus
der
Bernward7schen
Reliefs
ist
VET-
schwunden, ein Gefühl für Ordnung und Symmetrie macht
sich auf Kosten der Lebendigkeit und Mannigfaltigkeit der
Formen geltend. Man scheint diese Strenge als eine Be-
dingung der höheren Kunst und als nothwendigen Aus-
druck der Würde betrachtet zu haben. Wir sehen daher hier
dieselben Motive, welche in der llliniaturmalerei mit der
1'] Puttrieh, Bd. I, Abth. 2, S. 19 und B1. S. Schon die In-
schrift lässt kaum einen Zweifel, dass das Denkmal bald nach dem
Tode des Königs gearbeitet war; man glaubt darin die Stimme eines
Freundes zu hören, der loben, aber doch nichts sagen will, was An-
stoss erregen möchte. Er wird „rex merito plorandus", eine vsacra
victima" genannt; es wird versichert, dass er "consilio gladioque"
ausgezeichnet gewesen, aber doch darauf hingewiesen, dass seine Ei-
genschaften für friedlichere Zeiten bestimmt gewesen.