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Deutsche
Plastik.
sich einzelne Gestalten weit aus der Fläche herausbiegen
Ein zweites, unter Bernward's Leitung angefertigtes Kunst-
werk ist ganz eigenthümlich; es ist eine über vierzehn
Fuss hohe, in Erz gegossene Säule M), Welche an ihrem
Stamme auf einem spiralförmig herumlaufenden Bande die
Geschichte Christi enthält, und zwar gerade den Theil der-
selben, Welcher auf der Thüre ausgelassen war, nämlich
von der Taufe im Jordan bis zum Einzuge in Jerusalem,
in einer Reihenfolge von Gruppen. Der Gebrauch verein-
zelter Säulen zum Schmucke der Kirche war Bernward
nicht eigenthümlich, vielmehr in dieser norddeutschen Ge-
gend ziemlich verbreitet; man pflegte sie neben die Altäre
zu stellen. Man begann vielleicht damit , dass man die
bisher zum heidnischen Cnltus dienenden Götzensäulen auf
diese Weise zum heiligen Dienste verwendete merk), be-
nutzte aber auch schon frühe den Erzguss zu ähnlichem
Zwecke. Dem Kloster Corvey schenkte der Bischof von
Verden schon um 990 sechs bronzene Säulen, wenige
Jahre darauf liess der Abt dieses Stiftes, Deuthemar, noch
andere sechs durch einen im Kloster befindlichen Erzgiesser
Gottfried, dessen Namen uns aufbehalten ist, verfertigen,
und endlich gab im Jahre 1004 der folgende Abt Hosad
dem Denkrnale, welches er für den gelehrten Klosterbruder
Wittekiild, den Geschichtschreiber der Sachsen, stiftete, die
ü) Abbildungen bei Kratz a. a. 0.
deutschen Kunst und Geschichtskunde I,
Berliner Museum.
und in Müllefs Beiträgen zur
Taf. 14. Ein Gypsabguss im
M) Nach Dr. Kratz a. a. O. S. 62 (der, wie es scheint, dabei
einer alten, jedoch von Bernward weit entfernten Handschrift folgt] ist
sie im Jahre 1022 in der Miehaeliskirche aufgestellt.
i") Eine steinerne Säule im Dome zu Hildesheim wird mit der,
zufolge erhaltener Nachricht aus Eresburg dahin gebrachten, Irenen-
Säule für identisch gehalten. Kratz a. a. 0. S. 91.