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Miniaturmalerei
Wangen neben der bräunlichen oder grünlichen Schattirunlg
des Fleisches durch einen derben Punkt anzudeuteln. Aber
sie werden doch wieder pastoser und geben in Verbindung
mit der reichlich angewendeten Vergoldung den Eindruck
der Pracht und eines frischen, gesunden WVohlgefallens an
kräftiger und harmonischer Färbung. In den Initialen kommt
zuweilen noch die karolingische Verzierungsweise mit Bal-
ken und Riemengeflechten und (lann ungeschicktei- und
matter angewendet vor; mehr und Lmehr werden sie aber
aus pflanzcnähnlichen Rankengewvinden mit eingemischten
'l'hiergestalten gebildet, ähnlich den Ornamenten der Kapi-
täle und von kühnerem Schwunge der Linie als diese.
Hier macht sich denn auch das phantastische Element, das
durch jene byzantinisirende Richtung zurückgedrängt war,
wieder und in viel lebendigercr Wfeise wie in den iri-
schen oder karolingischen Miniaturen geltend. Verbindungen
menschlicher und thierischer Theile, eigenthümliche, an-
regende Stellungen und Wendungen von Schlangen, Hun-
den, Vögeln sind schon jetzt gewöhnlich und unendlich
variirt. Ueberhaupt regt sich die erlindende Thätigkeit
nun viel kräftiger und tritt nicht selten Wirklich sinnreich
und bedeutend hervor. Aber freilich hat sie noch nicht
gelernt, sich der Natur zu unterwerfen, von der vielmehr
die Behandlung oft auch in den auffallendsten und ohne
Schwierigkeit wiederzugebenden Eigenthümlichkeiten ab-
weicht. Der Erdboden ist niemals einfarbig grün oder
bräunlich gehalten, sondern durch buntfarbige, blaue, grüne,
rothe Klumpen, wie durch bunte Steine, repräsentirt, das
Haupthaar, meist roth oder grün oder auch wohl gelb,
wird in manchen Handschriften stets durch mehrere pe-
rückenartig und ganz symmetrisch über einandergestcllte
Lagen versinnlicht, die einzelnen Theile des Körpers er-
halten, wo die Darstellung des Nackten unvermeidlich War,