Volltext: Geschichte der bildenden Künste im Mittelalter: Das eigentliche Mittelalter (Bd. 4 = [2], Bd. 2, Abth. 2)

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Irische 
Miniaturmalerei 
stalten, auf irischen Einfluss schliessen  Einen sehr 
merkwürdigen Beweis, dass selbst die Irländer wirkliche 
Studien nach Vorbildern altchristlicher Kunst machten, und 
sie neben ihrer einheimischen Darstellungsweise anwendeten, 
giebt ein Evangeliarium, das durch Vermächtniss des 
Grafen von Kesselstadt in die 'l'rierer Dombibliothek ge- 
langt ist Wk). Nicht bloss die Behandlung der Initialen und 
Einralnnungeil, sondern auch die phantastische Gestalt des 
'l'etram0rph0s, des Symbols der Evaugelienharmonie, der 
als ein Greis mit Engelsfiisseil, aber mit der Haut des 
Löwen und Stiers und den Flügeln des Adlers bekleidet 
dargestellt ist, sind in Farbenwahl und Zeichnung ganz 
und sehr charakteristisch irländisch. Die Gestalten der 
Erzengel Gabriel und Michael und die in Medaillons über 
den Columnen der vorausgeschickten Canones angebrachten 
Brustbilder der Apostel haben dagegen völlig, den Mosai- 
kentypus der altchristlichen Kunst, und sind sehr guten 
Vorbildern nicht ungeschickt nachgeahmt. Es scheint da- 
her, dass Irlänrler, die vielleicht in Italien altcln-istliche 
Bildwerke kennen gelernt hatten, hier diesen höheren Styl 
annahmen, ohne doch die Formen ihrer einheimischen 
Kunstweise, wo sie ihnen angebracht schienen, ganz auf- 
zugeben. 
Ungeachtet der Abneigung gegen die schematische Be- 
handlung der menschlichen Gestalt musste doch die Be- 
rührung mit der irischen Kunst einen Einfluss auf die ge- 
sammte Miniaturmalerei ausüben. Es lag in ihr, so ab- 
stract es auch sein mochte, ein künstlerisches Princip, der 
Gedanke einer durchgeführten Regel, einer Harmonie zum 
1') Würzburger Univem-Bibl. Ms. perg. theolog. fol. Nro. 69, 
Epistolae Pauli. Ms. perg. theol. quart. Nro. 50, Mauricii Senonensis 
de S. Missa carmen, und Nro. 1, Evangeliarium. 
H) Erwähnt bei Kugler, Geseh. der MaL, zweite Ausg., I. 1M.
	        
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