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Irische
Miniaturmalerei
Festlande nicht bloss wegen ihrer Frömmigkeit, sondern
auch wegen ihrer Gelehrsamkeit und Kunstfertigkeit 2:)
geachtet; man behielt sie daher in den Klöstern, welche
sie besuchten, gern zurück, namentlich als Lehrer (ler
Musik, der mathematischen Xvissexischaften M) und vor
Allem der Sehreibeknilst, für Welche sie besonders berühmt
Waren. In St. Gallen, einer irischen Stiftung, wurde im
neunten Jahrhundert der Irländer Moengal, der auf seiner
Pilgerschaft hier zurüekblieb, der Lehrer der als Künstler
berühmten Mönche Notker und Tutilo. Von einem anderen
Irländer, Sintram, sagt ein Chronist aus St. Gallen, dass
die ganze VVelt diesseits der Alpen seine Finger bewun-
dere, dass ihm Keiner in der Schreibekunst gleiche. Noch
im elften Jahrhundert werden die Ilibernier als berühmte
Lehrer und Schreiber genannt Mit]. In den meisten Klö-
stern, Welche künstlerische Ansprüche machten, fanden
Irländer Aufnahme
Dies erklärt es vollkommen, dass jener in Irland zu so
grosser Festigkeit ausgebildete Miniaturenstyl auch in
Frankreich und Deutschland Eingang fand. Schon in den
ältesten fränkischen Handschriften erkennen wir eine Nacl1-
ahmung der irischen Arabesken und selbst die Motive
der karolingischen Initialen sind von ihnen entlehnt, und
k] In der Lebensbeschreibung des heiligen Bernward werden
schottische Gefässe (vasa scotica) als Gegenstände der Nachahmung
genannt.
M) Wilh. v. Malmesbury Jabrh.) bei Erwähnung des heiligen
Dunstan: Harem scientiarum arithxneticae, geometriae, astronomiae et
musicae] Hibernienses pro magno policentur.
m") Ekkehard (Pertz Monum. II, 89): Omnis orbis cisalpinus
Sintrami digitos miratur, scriptura cui nulla, ut opinamur, par erit.
In einem Schreiben vom Jahr 1070 (bei Keller): Famosa gens (Hiber-
norum] scripturis atque magistris.
1') Vgl. Lappenberg, Gesch. von England I, S. 174 H.
H") Waagen, K. und K. W. in Paris, S. 244 und 258.