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Plastik
und
Malerei.
gothischen ß, die Nase nicht bloss der Haltung der Figur
entgegen wie in der Unteransicht, sondern auch mit den
künstlichsten Federzügeil gezeichnet, das Haupthaar wie
eine hohe Perücke mit Wellenförnligeil Absätzen aufsteigend,
oder in künstlich geschwungenen, symmetrisch gleichen
Locken herabfallend, die Gewandung endlich auf beiden
Seiten in wohlberechneter Gleichheit durch bedeutungslose
Curven oder gerade Linien ersetzt, den herkönnnlichen
Sessel des Evangelisten als ein Gitter-Werk, ohne Unter-
schied von Lehne und Sitz, behandelt, ja sogar ganze
menschliche Gestalten nur durch mehrere arabeskenartige,
die einzelnen Glieder absondernde Federzüge angedeutet 94),
so können wir nicht zweifeln, dass der Zeichner gerade
eine solche Behandlung beabsichtigt, dass er gar nicht an
die Natur gedacht, sondern ein symmetrisches, regelmäs-
siges Linienspiel für die Aufgabe der Kunst gehalten, und
bei Gelegenheit des heiligen Namens, den er mit einem
Bilde begleiten wollte, ausgeführt hat. Dies zeigt sich auch
bei der Färbung der Gestalten. Das Fleisch ist mit will-
kürlichen, der natürlichen Farbe auch nicht entfernt glei-
chenden 'l'inten bemalt, das Haar oft blau rmd überdies
mit gelben, symmetrisch gelegten Prnrkten durchstreut; an
einem gekreuzigterl Christus finden wir sogar die Arme
roth und die nackten Beine blau ist). Es kam daher auch
in Beziehung auf Farbe nur auf abstracte Verhältnisse an,
die mit der menschlichen Natur nichts gemein haben.
VVenn uns diese Rücksichtslosigkeit verletzt, S0 können
S0 namentlich in dem Evangeliaüum (Suppl. lat. Nro. 693]
der Pariser Bibliothek, welches auch Waagen a. a. O. S. 241 erwähnt,
die den Engel des Matthäus vertretende Gestalt mit der Beischrift:
Image homixlis.
M) Dies findet sich namentlich in dem Evangeliarium (Nro. 51)
der Bibliothek von St. Gallen, dessen irländische Schrift auf das achte
Jahrhundert hindeutet. Waagen a. a. O.