Irische
Miniaturen.
4-57
sondern
311
der
äussersten
Stelle
der
abendländischen
Chri-
stenheit, in Irland,
derbare Architektur
in jener klösterlichen Insel, deren son-
wir schon betrachtet haben. Gerade
diese Entlegenheit, welche den altchristlichen Traditionen
ihre Kraft entzog, vielleicht auch der Umstand, dass Irland
nicht einmal von Rom aus bekehrt war, gab ihm diesen
Vorzug.
Ich habe früher i?) von angelsächsischen Miniaturen,
von der Schönheit ihrer Arabesken und der unglaublichen
Missgestalt ihrer Figuren gesprochen. Neuere Forschiulgen
haben ergeben, dass dieser Styl sich zuerst in den gelehrten
und übervölkerten Klöstern Irlands gebildet, und von da
erst Eingang in Brittannien und auf dem Festlande ge-
wonnen hat Seit). In diesen irischen Miniaturen sehen wir
nun allerdings an den heiligen Gestalten die äusserste
Missachtung der Natur, aber in solcher Weise, dass sie
nicht auf blosser Unkenntniss und Ungeschicklichkeit, son-
dem auf einer, nach unserer Auffassung schwer zu be-
greifenden Absicht beruht. Die Unrichtigkeit der Verhält-
nisse, die übergrossen, auch bei der Proülstelluilg ganz
sichtbaren Augen, die sitzenden Evangelisten, die, weil der
Schenkel fehlt und der Leib ohne Schattirung oder An-
deutung einer Verkürzung sich unmittelbar an das Knie
anschliesst, wie stehende, aber kleine und verkrüppelte Fi-
guren erscheinen, dies Alles sind Fehler, die sich noch
aus der Rohheit des Zeichners erklären liessen. Sehen wir
aber den Mund in Gestalt eines Schnörkels, in seiner Mitte
mit abwärtsgehender Spitze, an den Seiten mit rundlinigei-
Senkung, den inneren Theil des Ohres in Gestalt eines
Band
III
315.
Dr.
zu
Vgl. Waagen im Deutschen Kunstblatt 1850, Nro. 11 i, und
Ferd. Keller in den Mittheilungen der antiquarischen Gesellschaft
Zürich", Band VII, Heft 3, 1851.