Volltext: Geschichte der bildenden Künste im Mittelalter: Das eigentliche Mittelalter (Bd. 4 = [2], Bd. 2, Abth. 2)

448 
Norwegen: 
u n d 
Irland. 
erwähnte Schnitzxrverk. Es unterscheidet siclr von der Or- 
iramentation der normannischen Bauten in Frankreich und 
in England, indem es statt des Geradlinigen vielmehr durch- 
weg geschwungene Linien, statt des Regclmässigen und 
Geomctrischen ein freies Phantasiespiel zeigt. Es gleicht 
in den kühn geschwungenen Linien, in den abenteuerlichen 
Verschlingimgen und in der Entwickelung phantastischer 
Thiere aus dem Riemenwerk vollkommen den Ornamenten, 
die wir in den irischen Miniaturen kennen und auch in den 
irischen Bauten wiedergefunden haben. Es fragt sich da- 
her, 0b die Norweger sie von den Iren angenommen ha- 
ben, oder ob sich bei ihnen, ungeachtet der Verschieden- 
heit des Volksstammes, ein ähnlicher Geschmack entwickelt 
hat. Die historischen Beziehungen Norwegens zu Irland 
und England lassen eine Herleitung nicht tinnlöglich er- 
scheinen. Zwar ist schon auf Runensteinen ilicht selten 
die Schrift auf schlangenftirmig gewundenen und in Schlan- 
gen auslaufenden Bändern geschrieben. Allein auch die 
Runen waren durch eine Einwirkung des römischen Al- 
phabets entstanden, und namentlich die, Welche sich auf 
solchen Schlangenbändern finden, stammen wahrscheinlich 
aus einer Zeit, wo die Norweger Irland kannten, und zum 
Theil schon bekehrt waren. Mit dem Christenthume war 
aber auch die lateinische Schrift, und zwar diese im angel- 
sächsischen Alphabet, nach Scandinavien gekommen, und 
in angelsächsischen lllanuscripten war bekanntlich auch jene 
irische Verzierungsweise angewendet. Es ist daher kei- 
nesweges unmöglich, dass dieselbe von Irland auf Nor- 
wegen übergegangen ist. Auch die Schnitzxlverke an jenen 
Holzkirchen werden von Mönchen und Geistlichen, oder 
doch unter ihrer Leitung, ausgeführt sein, denen die 0h- 
nehin für das Messer des Ilolzschneiders ausführbaren Or- 
namente der Miniaturen bekannt und geläufig waren. Al-
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.