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Norwegen:
u n d
Irland.
erwähnte Schnitzxrverk. Es unterscheidet siclr von der Or-
iramentation der normannischen Bauten in Frankreich und
in England, indem es statt des Geradlinigen vielmehr durch-
weg geschwungene Linien, statt des Regclmässigen und
Geomctrischen ein freies Phantasiespiel zeigt. Es gleicht
in den kühn geschwungenen Linien, in den abenteuerlichen
Verschlingimgen und in der Entwickelung phantastischer
Thiere aus dem Riemenwerk vollkommen den Ornamenten,
die wir in den irischen Miniaturen kennen und auch in den
irischen Bauten wiedergefunden haben. Es fragt sich da-
her, 0b die Norweger sie von den Iren angenommen ha-
ben, oder ob sich bei ihnen, ungeachtet der Verschieden-
heit des Volksstammes, ein ähnlicher Geschmack entwickelt
hat. Die historischen Beziehungen Norwegens zu Irland
und England lassen eine Herleitung nicht tinnlöglich er-
scheinen. Zwar ist schon auf Runensteinen ilicht selten
die Schrift auf schlangenftirmig gewundenen und in Schlan-
gen auslaufenden Bändern geschrieben. Allein auch die
Runen waren durch eine Einwirkung des römischen Al-
phabets entstanden, und namentlich die, Welche sich auf
solchen Schlangenbändern finden, stammen wahrscheinlich
aus einer Zeit, wo die Norweger Irland kannten, und zum
Theil schon bekehrt waren. Mit dem Christenthume war
aber auch die lateinische Schrift, und zwar diese im angel-
sächsischen Alphabet, nach Scandinavien gekommen, und
in angelsächsischen lllanuscripten war bekanntlich auch jene
irische Verzierungsweise angewendet. Es ist daher kei-
nesweges unmöglich, dass dieselbe von Irland auf Nor-
wegen übergegangen ist. Auch die Schnitzxlverke an jenen
Holzkirchen werden von Mönchen und Geistlichen, oder
doch unter ihrer Leitung, ausgeführt sein, denen die 0h-
nehin für das Messer des Ilolzschneiders ausführbaren Or-
namente der Miniaturen bekannt und geläufig waren. Al-