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Norwegen.
Wenn aber hiernach der Bau des Eystein nicht das
freie und selbstständige Erzeugniss des einheimischen Gei-
stes ist, sondern den Einfluss der englisch-normannischen
Architektur zeigt, so hat er doch sehr anerkennenswerthe
Eigenthümlichkeiten. Dahin gehört namentlich die Aus-
stattung der Aussenwände mit durch Ecksäulcheil begränz-
ten Pilastern und mit grossen, dieselben verbindenden
Blendarcaden. Diese sehr organische und gefällige Anord-
nung ist den englischen Bauten fremd, und erinnert eher
an deutsche Auffassung, namentlich an die in Deutschland
aber nur im Inneren vorkommende Verbindung der Pfeiler
bei dazwischen stehenden Säulen durch grössere Bögen,
welche wir in der Kathedrale von Lund wiedergefunden
haben. Wir sehen daher hier die englische Architektur
mit einer anderen, dem deutschen Geiste entsprechenden
Sinnesweise behandelt, deren völlige Entwickelung in ar-
chitektonischer Beziehung vielleicht nur durch die Armnth
und Kleinheit des Landes verhindert wurde.
Von
den
Wenigen
anderen
romanischen
Bauten
in Nor-
ist nichts als eine völlig unerwiesene Voraussetzung. Die bereits oben
erwähnte Stelle des Snorro (Minutoli S. 29) spricht nämlich bloss von
dem Abbrechen jener Marienkirche durch Eystein; dass dies nur ein
theilweises gewesen und er einzelne Theile derselben in seinen Bau auf-
genommen, ist nirgends gesagt. Noch weniger haben wir irgend einen
Beweis dafür, dass die von Eystein aufgenommenen Theile gerade im
Kreuzschiffe liegen. Wie es scheint, legt Herr v. Minutoli die Angaben
der Beschreiber des Doms, Schöning (1762) und Schwach (1836) zum
Grunde, ohne zu untersuchen, 0b sie blosse Vermuthungen aufstellen
oder ältere Quellen haben. Es wäre wenigstens zu wünschen gewesen,
dass die betreffenden Stellen des Theodoricus monachus, eines Zeitge-
nossen Eysteins, und des Snorro Sturleson (1230) der Untersuchung
vorausgeschickt, und von den Hypothesen jener neueren Schriftsteller
gesondert wären. Enthalten diese älteren Schriftsteller nicht mehr als
die gelegentlich mitgetheilten Stellen und haben Schöning und Schwach
nicht andere Urkunden citirt, so fehlt jeder Grund für die Annahme,
dass wir noch Theila der Marienkirche des Harald Harderaade besitzen.