Volltext: Geschichte der bildenden Künste im Mittelalter: Das eigentliche Mittelalter (Bd. 4 = [2], Bd. 2, Abth. 2)

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Erste 
Epoche. 
in Deutschland; sie näherte sich den Laien mehr und wurde 
von ihrer Rohheit und Verderbniss ergriffen. Italien sank 
dadurch bis auf die tiefste Stufe sittlichen Verfalls. Gün- 
stiger gestalteten sich, wenn auch nur allmälig, die Ver- 
hältnisse in Frankreich. Die Geistlichkeit, wenn auch 
weniger strenge, wie in Deutschland, behielt doch das Be- 
wusstsein ihres Berufs und erlangte, eben dadurch, dass 
sie dem Volke näher stand, seine Gefühle theilte, ein Mittel 
zu kräftigerer Einwirkung auf dasselbe. Die Ritter und 
Edeln, so wild und kriegerisch sie erschienen, konnten 
sich nicht völlig der Bildung entziehen, deren Sprache sie, 
wenn auch unvollkommen, verstanden und sprachen; sie 
wussten daher sowohl die Mahnungen der Geistlichen zu 
würdigen, als andererseits ihren Anmaassungen Schranken 
zu setzen. Kampf und Verwirrung und die Selnlsucht 
nach kirchlicher Abhülfe waren zwar hier nicht geringer, 
als in Deutschland; ja, dies Gefühl äussert-e sich hier selbst 
wärmer und enthusiastischer, wie dort. Aber der Enthu- 
siasmus für die Kirche war hier nicht gegen die staat- 
liche Macht gerichtet; diese beruhete nicht, wie in Deutsch- 
land, auf theoretischem Grunde, auf dem Gedanken einer 
höheren, mit der Kirche zusammenhängenden Bedeutung, 
sondern auf einem der Kirche unzugänglichen Titel, auf 
allmäliger privatrechtlicher Erwerbung. Zwar war Hugo 
Capet von anderen Grossen erwählt, aber nicht diese Wahl, 
sondern seine Hausmacht war seine Stärke. Er blieb in 
seinem Erbe , das Königthum haftete an der Grafschaft 
Paris und dem Herzogthume Francieil, und Frankreich 
konsolidirte sich nur langsam mit diesem festen Kerne der 
Monarchie. Die Verhältnisse zwischen Staat und Kirche 
gestalteten sich daher hier ganz anders. Sie begannen 
zwar wie in Deutschland; König Robert war dem Priester- 
thume unterwürfig wie sein Zeitgenosse Heinrich II. , und
	        
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