Charakteristik
und
Details.
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erste Sorge war daher, gewaltige, imangreifbare Schlösser
zu errichten, in welchen sie wohnten, aus denen ihre Mann-
schaften hervorbrechen konnten, um ihre Befehle auszufüh-
ren; die Einrichtung, die Verbesserung dieser Bauten war
die eiligste Aufgabe ihrer Bauverständigen. Jener Nor-
manne Gundulph, welcher den Tower von London sowie
das Schloss seines neuen Bischofssitzes Rochester erbaute,
soll sich besondere Verdienste um diesen Zweig der Ar-
chitectur erworben haben. Man darf diese Schlösser, von
denen noch so manche erhalten sind, nicht mit den Bingen,
wie wir sie auf deutschem Boden finden, vergleichen. Sie
unterscheiden sich ebensoweit von ihnen, wie die Macht
der englischen Barone, die über weite Landstriche geboten,
von der Dürftigkeit eines deutschen Raubritters oder Land-
edelmannes, von welcher noch i'm sechszehnten Jahrhundert
Ulrich von Hutten uns ein so lebendiges und fast komi-
sches Bild giebt. Sie zeigen einen geordneten, wenn auch
gewaltsamen Zustand und beweisen die Klugheit und Ci-
vilisationsfähigkeit, welche die Normannen auszeichnete.
Sie finden ihres Gleichen erst später in den Schlössern,
welche die deutschen Ritter in Preussen im vierzehnten
Jahrhundert unter einigermaassen ähnlichen Verhältnissen
errichteten. Von den äusseren Befestigungen, von Wall
und Graben und was sich daran anschloss, von blVirthschafts-
gebäuden und kleineren Wachtthürmen zu sprechen, liegt
ausserhalb meiner Aufgabe. Es kommt mir nur auf den
Kern dieser Herrensitze an, auf das eigentliche Schloss,
die Citadelle, den Keep-tower nach englischem Sprach-
gebrauch. Er besteht immer in einem gewaltigen hohen
Thurm, runder oder viereckiger Gestalt, von felsdicken
Mauern, durch ltlauerstreifen verstärkt. Den Eingang ge-
währt eine Treppe, die nicht von vorn gegen die Mauer,
sondern an der Wand entlang hinauiführt, damit sie bei
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