Volltext: Geschichte der bildenden Künste im Mittelalter: Das eigentliche Mittelalter (Bd. 4 = [2], Bd. 2, Abth. 2)

Gelehrte 
Richtung. 
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teinischen Uebersetzungen, um später wieder in die Natio- 
naldichtung überzugehen. In Deutschland dagegen ver- 
schwanden jene alten Heldenlieder, die Karl der Grosse 
noch sammelte und deren Reiz überall empfunden wurde, 
wo deutsche Stäünme sich niederliessen, fast gänzlich. Zu 
0ttfried's Zeiten waren sie noch mächti ' er versuchte in 
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seiner Evangehenhalmonie, sie durch geistliche Dichtung in 
deutscher Sprache zu verdrängen i), aber auch darin fand 
er keine Nachfolger, die Dichtung winde ausschliesslich 
lateinisch tmd gelehrt, lllld die Neigung, vaterländische 
Stoffe zu bearbeiten, zeigte sich mu- ausnahmsweise und 
verschwand bald ganz Die Sänger jener alten Lieder, 
sonst die Zierde der Feste, wurden zu niedrigen Possen- 
reisseru, denen ernstere Fürsten den Zutritt an ihren Höfen 
versagten M43). Auch in politischer Beziehung gab die 
Hinneigung zum Alterthume Wenigstens einen sehr zwei- 
deutigen Gewinn. Schon jene besseren Historiker wenden 
zuweilen römische, für ganz andere Verhältnisse ausge- 
prägte Phrasen auf deutsche Zustände an , und diese 
4') Ottfried in der Vorrede der Evangelienharmonie bekundet 
diese Absicht: ut ludum secularium vocum delerent, somnia 
inutilium rerum noverint declinare. 
M] Die Bearbeitung der romanischen Sage von Walther und Hil- 
degunde durch den Mönch Ekkchard in lateinischen Hexametern ist 
auch dafür das einzige Beispiel. Dass dies merkwürdige lateinische 
Gedicht nicht, wie Fauriel, Poesie provencale, will, auf provenzali- 
schem Boden entstanden sei, ist unzweifelhaft erwiesen. 
H?) Widekind beruft sich noch auf diese Sänger: Ut a mimis 
declamabatur. Heinrich III. dagegen, wahrlich kein frömmelnder Fürst, 
bei seiner Krönung in Ingelheim: in vano histrionum favore nihili 
pendendo, utile cunctis proposuit exemplum, vacuos eos et moerentes 
dimittendo (Glabßr Radulph). 
j") So lässt Widekind nach gewonnenen Schlachten Heinrich und 
Otto von ihren Heeren zu Imperatoren ausrufen; offenbar in falsch ver- 
standener Anwendung einer antiken Phrase. Denn beide waren längst 
Könige, und dass die Kaiserwürde nicht vom Heere verliehen wurde, 
verstand sich von selbst. 
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