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Frankreich.
die Ausbildung des Chorumganges mit radianten Kapellen,
die dadurch bedingte freie Säulenstellung der Rundung geben
der heiligsten Stelle einen so bedeutsamen Vorzug, dem
gesammten Bau einen so reichen und schönen Schluss,
dass auch die weiter fortschreitende Kunst ihn nicht zu
übertreffen vermochtep Zwar ist das Tonnengewölbe hier
beibehalten, das für die volle Gliederung des Ganzen so
wichtige Kreuzgewölbe nur in den Seitenschiilen ange-
wendet; aber statt der dürftigen Anlage der südlichen Ge-
genden sind hier doch schon Emporeu über den Absciten
zur Regel, und in Burgund selbst Oberlichter vorherrschend
geworden. Auch verrathen die gewaltigen Thurmanlagen,
für welche Cluny das Vorbild giebt, einen Sinn für Ge-
samrntwirkung und Massenverhältnisse, der in der Pro-
vence ganz fehlte und selbst in der Normandie nicht so
entwickelt war. Für die Schönheit der antiken Bauten ist
der Sinn hier wie im Süden geöffnet, aber sie werden
mit grösserer Feinheit, mit regerem Gefühle für die ver-
änderten Bedürfnisse christlicher Kunst benutzt. Der kan-
nellirte Pilaster wird ein Mittel zur regelmässigeren Aus-
bildung des Pfeilers, und die Ornamentik, ohne das Ge-
präge ihres antiken Ursprungs einzubüssen, kräftiger und
mehr mit dem Constructiven verschmolzen. Dazu kommt
dann endlich noch als eine Aeusserung des Farbensinnes
in den vulkanischen Gegenden der Auvergne und des Velai
der Schmuck mit musivischen Verzierungen und wechseln-
den Steinen.
Während hier die jugendliche Nationalkraft durch den
ordnenden Einfluss der Antike gemildert ist, tritt in Aqui-
tanien an dem Facadensclunuek der Kirchen das phanta-
stische Element der Zeit mit seiner Gährung und Ueber-
fülle hervor. Die südliche Neigung zum Ornamentalen und
zur Ausstattung des Aeusseren ist hier durch die Unruhe