Ueberblick
seiner
provinzialen
Schulen.
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die auf dem Boden des grossen Landes neben einander be-
standen, anschaulich zu machen. Auch in Deutschland
fanden wir Verschiedenheiten und Gegensätze, aber doch
schon von einer höheren Einheit beherrscht; der deutsche
Nationalcharakter äusserte sich unter den Gewölben der
rheinischen Dome wie unter der Balkendecke der sächsischen
Kirchen in gleicher Weise schlicht, aber harmonisch und
consequent. Wie ganz anders stehen sich der Norden und
Süden von Frankreich entgegen; die Kirchen der N or-
mandie, mit der entwickelten Kreuzanlage und der regel-
mässigeil Abtheilung durch Kreuzgewölbe, mit der wohl-
gegliederten, aber bildlosen Vorderseite, mit ihren Tluum-
bauten und mannigfaltigen Fensterreihen haben mit den
dunkeln, niedrigen, von Tonnengewölben gedeckten Kir-
chen der Provence und des Languedoc nur das gemein
was die christliche Sitte des gesammten Abendlandes mit
sich brachte. Die spröde, lineare Ornamentik jener steht
mit dem reichen Blattwerk, mit dem vollen, der Antike
entlehnten plastischen Schmucke der südlichen Kunst im
schrolfsten Gegensatze. Kein Zug nationaler V erwandt-
schaft verbindet sie, sie unterscheiden sich mehr von ein-
ander, als die deutschen Bauten von den italienischen, selbst
von den in Venedig oder Toscana entstandenen. In der
provenzalischen Kunst herrscht das antike Element einsei-
tiger und ausschliesslichcr vor, als selbst auf dem klassi-
schen Boden Italiens, und die normannischen Kirchen zei-
gen in ihrer Ornamentik einen nördlicheren Charakter als
die deutschen.
Nicht minder eigenthülnlich und abweichend sind die
grossen Gebiete des mittleren Frankreichs, nicht minder
verschieden Wieder unter ihnen die östlichen und die west-
lichen Gegenden. Burgund und die Auvergne haben die
Plananlage schon Weiter gefördert, als selbst die Normandie;
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