Die
Ottonen.
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deutschen Rechtsbegriiife, in der Selbstständigkeit des freien
Eigenthümers fand sie eine Schranke. Sie beruhte mehr
auf Anerkennung und Ansehen, als auf äusseren Mitteln;
es geht ein gutmüthiger, verständiger, schlichter Geist
durch diese Zeit, und der deutsche Nationaleharakter zeigt
sich im günstigsten Lichte.
S0 konnte es indessen nicht bleiben. Bei zunehmender
Gesitt-ung wurden die Mängel des bisherigen Naturzustandes
fühlbarer, bei dem Eintritt in die Völkerfamilie des Abend-
landes mussten die Deutschen den Wunsch empfinden, sich
die römische Bildung, auf der die Kirche beruhete und
Welche das Mittel der Civilisation war, in höherem Grade
anzueignen. Es kamen politische Gründe hinzu. Otto I.,
nachdem er die Kaiserkrone empfangen, war nicht mehr
blos ein deutscher Fürst, er hatte das verhängnissvolle
Band seines Landes mit Italien geknüpft, er musste sich
der Reihe römischer Imperatoren anschliessen. Für sich
eroberte er mit starkem Arm eine italienische Gemahlin, für
seinen Sohn warb er um eine byzantinische Kaiserstochter,
sein Enkel war der Abkömmling dieser Griechin. Auch
blieb es nicht bei diesen äusseren Beziehungen, die ganze
Kraft der Nation wandte sich mit Eifer und Erfolg auf
klassische Studien. Was Ottfried im neunten Jahrhundert
emphatisch gesagt hatte, dass die Welt von den Gedichten
der Lateiner beherrscht werde, wurde nicht lange darauf
gewissermaassen zur Wahrheit. Das Kaiserhaus ging auch
hier voran. Otto's Bruder Bruno, Erzbischof von Köln,
war ein leidenschaftlicher Freund der Wissenschaft, der
alle Gelehrten an sich zog, mit ihnen disputirte und seinen
Bücherschatz auf seinen Reisen mit sich führte. Hedwig,
Otto's Nichte, konnte im Griechischen imterrichteil, Ger-
berga, eine andere Verwandte des kaiserlichen Hauses,
war die Lehrerin jener Nonne Roswitha, welche geistliche
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