Die
Normannen.
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Herzöge der Normandie, wie sich die Nachkommen Rollds
nannten, schon mächtig genug, um die Ruhe aufrecht zu
erhalten und an geordnete Benutzung ihres ererbten Eigen-
thums zu denken.
Die Berichterstatter aller Länder, Wo die Normannen
auftraten, schildern sie als ein kluges, rüstiges Geschlecht,
listig, zur Verstellung geneigt, gewandt in Schmeicheleien,
von angeborener Beredsamkeit, habsüchtig, aber auch pracht-
liebend und aus Stolz freigebig, leidenschaftlich und reizbar,
aber auch ausdauernd, in den Anstrengungen des Krieges
unermüdlich, und Wenn es nöthig war, zu jeder Entbehrung
bereit Durch Gewohnheit verwildert und grausam, und
wo ihre Begierde gereizt war, rücksichtslos, waren sie
doch klug genug, um die Vortheile der Civilisation zu
würdigen; in Sicilien wird von ihnen ausdrücklich bemerkt,
dass sie nach fremden Sitten sorgfältig geforscht, um daran
zu lernen im). Sie waren nicht, wie die Germanen der
Völkerwanderung, in grossen Schaaren mit Weib und
Kind gekommen, sondern als vereinzelte Abenteurer, die
in der Ehe mit eingeborenen Frauen bald die Sitten ihrer
neuen Heimath annahmen. Aber ihr rüstiger, unterneh-
mender Geist vererbte sich auf ihre Söhne und gab der
ganzen Gegend einen neuen kräftigen Ton. Der skandina-
vische Stamm hält fast die Mitte zwischen dem deutschen
und dem keltischen. Er theilt mit dem ersten die kriege-
rischen Eigenschaften und jenes Gefühl der Sehnsucht, das
in die Ferne treibt, unruhig undistrebsam macht. Aber er
hat nicht den Zug des Gemüthlichen und Sinnenden, der
die Deutschen zu Unbestimmtheit und Schwäche verleitet;
a") Dies ungefähr die Schilderung, welche Gaufridus Malaterra
(lib. 1, c. 3] am Ende des elften Jahrhunderts von ihnen giebt.
H) Hugonis Falcandi hist. ap. Muratori Script V01. VII, p. 250.
Aliorum quoque regum ac gentium consuetudirxes diligentissime fecit
inquiri, ut quod in eis pulcherrimum aut utile videbatur, sibi t-ransumeret.