Poitou.
331
sind noch nicht vergessen, aber sie sind zu Schreckbildern
der aufgeregten Phantasie geworden, und drängen sich auf
die Oberfläche des Lebens hervor.
Die eigentliche Heimath dieses Fagadenstyls ist das
Poitou, wo N. D. la grande und S. Radegonde in
Poitiers, die Kirchen von Civray, Parthenay, Tho-
mars, Airvault, Lusignan merkwürdige Beispiele ge-
ben; doch ist er südlich besonders in die am Meere ge-
legene Provinz Saintonge (S. Marie des Dames in Sain-
tes, St. Pierre diAulnay, Ruffec) und in Angouleme,
eingedrungen, wo die Kathedrale dieselbe Figurenfülle zeigt,
jedoch schon in mehr geregelter Vertheilung, so dass die ganze
Fläche mit ihren mannigfaltigen, in Arcaden, Nischen imd
Medaillons angebrachten Gruppen eine zusammenhängende
Darstellung des jüngsten Gerichts erkennen lässt Weiter
südlich in der benachbarten Diöcese von Bordeaux im) und
wiederum nördlich im Anjou finden sich ähnliche Facaden
nicht mehr, obgleich an Kapitälen und Friesen vielfach eine
verwandte Neigung zu reicher und phantastischer Sculptur
zum Vorschein kommt 231'341). Die meisten dieser Facaden
i") Abbildungen dieser Facaden, namentlich der von N. D. la
grandc in Poitiers finden sich überaus häufig, in Ohapuy's, Gailhabauws
Sammelwerken u. a. a. O. Wahrscheinlich ist das grosse romanische
Fenster in der Mitte dieser Facade, welches mit der Anordnung der
Gallerien nicht harmonirt, erst bei einer Aenderung entstanden. Thiollet
(Lccous d'Architecture, 1847) giebt eine nicht unwahrscheinliche Re--
stauration der ursprünglichen Anordnung, nach welcher an Stelle jenes
Fensters ein kreisförmiges stand, wodurch denn die darunter befind-
liche Gallerie gerade Raum genug erhält, um nicht bloss wie jetzt acht
Apostel, sondern Christus und die zwölf Apostel aufzunehmen. Die
Faqade des Doms zu Angouleme ist bei de Laborde, die von Lusignan
bei Willemin abgebildet.
Bull. monum. VIII, 309.
Besonders zeichnet sich dadurch das Kloster St. Aubin in
Angers aus (vgl. eine Sammlung von Friesen, Basen und Säulenstäm-
men aus demselben im Bull. monum. VII, 522, und VIII, 309).