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Erste
Epoche.
und den rohen und für die Anwendung jener Gesetze nicht
vorbereiteten Sitten und Bedürfnissen der Völker. Freilich
begannen nun zwar, eben Weil die 'l'radition nicht von
einem lebenden Volke getragen wurde, beide Elemente zu
bestimmterer Gestaltung zu verschmelzen. Die Kirche konnte
nicht umhin, die nationalen Bedürfnisse eiuigermaassen zu
berücksichtigen, ihre Mitglieder gingen aus den Völkern
hervor, auf der Jugendkraft derselben, auf ihrer Hinge-
bungsfreudigkeit beruhete ihre Stärke. Die Völker erkann-
ten andererseits die Kirche als ein Bedürfniss zu ihrer eigenen
Organisation an. Aber die Verschmelzung War erst im
WVerden, die Elemente rangen noch mit einander, machten
sich gesondert geltend; bald trat die abstrakte, auf die Be-
dürfnisse wirklicher Menschen noch nicht eingerichtete Kon-
sequenz der Lehre, bald die rohe, ungezügelte Naturkraft
hervor. Es ist ein Zeitalter des Kampfes, aber eines Kam-
pfes, der zur Ordnung, zur Gestaltung des Lebens führt,
die heroische Zeit des Mittelalters. Die modernen Völker
standen ungefähr auf der Stufe ihrer Entwickelung, wie die
Griechen vor und in dem trojanischen Kriege. Auf dieser
Entwickelungsstufe haben alle Völker, wie auch die ein-
zelnen Menschen in einer gewissen jugendlichen Epoche
des Lebens, eine Neigung zu abstraktem 'l'hun und Denken,
die sich neben dem erwachenden Gefühle geltend macht.
Sie kennen keine Unterschiede, sie wenden die Regel rück-
sichtslos, aber nur in den allgemeinen Beziehungen an, Lmd
gestatten sich daneben Aeusseruilgen ihrer noch ungebro-
chenen Triebe. Daher erscheint denn in solchen Zeiten
stets das allgemeine Leben ausgebildeter und fester, als
das individuelle. Dies giebt einestheils grossartige Züge,
ein Vorherrschen der religiösen und patriotischen Beweg-
gründe vor den Rücksichteln des Eigennutzes, andererseits
aber das Schauspiel frischer, aber roher und ungezügelter