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Frankreich.
Diese Schilderung traf nun zwar zunächst nur die Be-
wohner der südlichen Küstenländer; aber auch die mittleren
Provinzen unterschieden sich noch wesentlich von den
Nordfranzosen. Während diese durch
einheimischen keltischen Stämmen oder
die Kriege mit den
den räuberisch ein-
fallenden Normannen und durch die Thronstreitigkeiten der
karolingischen Fürsten verwilderten, während bei ihnen nur
der kriegerische Muth Geltung hatte und germanischer und
nordländischer Geist die Oberhand gewann, waren die in-
neren Gegenden und die westlichen Küsten durch Berge
oder ihre Abgelegenheit geschützt, und bewahrten in stiller
Abgeschlossenheit ihre heimischen 'l'raditi0nen.
Diese Mannigfaltigkeit der Verhältnisse und Richtungen
der verschiedenen Provinzen, von der uns die Berichte der
mönchischen Schriftsteller in ihrer einförmigen Latinität nur
sehr ungenügende Anschauung geben, lernen wir erst durch
die Betrachtung der Monumente vollkommen schätzen.
Während die deutsche Architektur schon überall eine
gleiche Tendenz zeigt, die sich in Wenigen Gegensätzen
ausbildet, sehen wir auf dem Boden des heutigen Frank-
reichs einen Reichthinn der verschiedenartigsten Formen
und Systeme, welche theils abweichende Auffassungen der
antiken Elemente, theils verschiedene fremdartige Einflüsse
von Süden und Norden, daim aber auch verschiedene
Stimmungen und geistige Richtungen andeuten, und zum
Theil die auffhllendsten Gegensätze bilden. Nirgends er-
halten wir ein so anschauliches Bild der Gährung von
Kräften und Stoffen, des Eindringens nationaler Elemente
in die Stille klösterlicher Thätigkeit, der mannigfaltigen
Bestrebungen, welche im Beginne dieser Epoche an ver-
schiedenen Stellen sich geltend machten und bald in grös-
seren, bald in kleineren Kreisen wirkten. In einigen Ge-
genden erhielt sich römische Tradition ohne bedeutende