Provenzalen
und
Franken.
245
sie durch die Natur gegeben war, ein Gesammtbegriff, der
die Besonderheit der einzelnen Stämme nicht ausschliesst,
und der sich daher am wirksamsten zeigte, so lange diese
noch weniger ausgebildet waren. Dort ist sie das Resultat
eines Bedürfnisses, das nur allmälig zum Bewusstsein und
zur Befriedigung gelangte, dadurch aber auch viel tiefere
Wurzeln schlug. Es entstanden daher hier zunächst ein-
zelne getrennte Provinzen, die aber doch, weil verwandten
Ursprungs, einander entgegen reiften, und allmälig, erst
im engeren, dann im weiteren Umkreise zusammenwuchseil.
Denn freilich lag eine gemeinsame Nationalität zum
Grunde, die keltisch-gallische, welche zwar durch fremde
X7ölkerschichten überdeckt und zurückgedrängt, aber den-
noch nicht erstorben war, und aus der unzerstörbaren Kraff
des Bodens allmälig wieder sich aufrichtete. Wir kennen
die ursprünglichen Eigenschaften dieses weitverbreiteten,
nxamxigfache Völker umfassenden Stammes freilich nur aus
einzelnen Andeutungen der römischen Schriftsteller; allein
diese reichen hin, um sie in dem späteren Volkscharakter
der Franzosen wieder zu finden. Es war ein für Bildung
nicht unempfängliches Volk, leicht erregbar, zu Neuerungen
geneigt, aber doch kalten, verständigen Blickes. Religion
verband sich mit Staatsklugheit, ein mächtiger, prunklie-
bender Adel beherrschte, in inniger Verbindung mit den
Druiden, das niedere Volk. Dieser volksthünllichen Grund-
lage mögen wir es zuschreiben, wenn in Ländern keltischen
Ursprungs die Aristokratie immer wieder eine viel grössere
Bedeutung erhielt, als in Deutschland.
Schon im Anfange dieser Epoche können wir, un-
geachtet der Zerklüftung des Landes, zwei grosse Massen
unterscheiden, Süd- und Nordfrankreich, langue d'oc
und langue d'oyl, Provenzalen und Franzosen. Diese
Verschiedenheit gründete sich auf uralte Verhältnisse. An