Torcello.
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der Sophienkirche. Noch jetzt, neben so manchen Anklän-
gen an orientalischen Geschmack, die Venedig in seinen
Palästen zeigt, erscheint dieser Glanz uns fremdartig, ab-
weichend von dem Style der übrigen Kirchen. Wie viel
mehr musste dies in der Anfangszeit sein. Aber dies
Fremdartige schreckte nicht; Venedig hatte schon damals
einen weiteren Blick, ein Volk von Kauffahrern war an das
Fremde gewöhnt, man Wollte mit den reichsten Städten
des Mittelmeers, und das waren noch immer die byzanti-
nischen, wetteifern, die Insel schickte sich an, eine Welt--
stadt zu werden.
Dass man bis dahin auch in den Lagunen noch im
Style des übrigen Italiens gebaut hatte, beweist der Dom
in Grado und besonders die mächtige Kirche auf der Insel
Torcello, die von dem Bischof Orso Orseolo im Jahre
1008 begonnen wurde d). Sie bildet eine dreischifiige Ba-
silika mit einer Holzdecke, mit 18 Säulenstälnmeil griechi-
schen Marmors, rundbogigen Fenstern und gleichen Wand-
arcaden. Aber schon die daneben liegende kleinere Kirche
Santa F0 sca zeigt einen Weiteren Einfluss des byzantini-
schen Geschmacks. Es ist ein Kuppelbau, auf drei Seiten
von schmalen Hallen (getheilteil Pfeilern wie in St. Marco)
begleitet, mit einem tieferen, in drei Nischen endigenden
Chore, das Ganze von einer Säulenhalle umgeben, die vorn
drei Seiten eines Achtecks bildet. Doch sind die Kapitale
hier zum Theil nach römischen Vorbildern gemacht, auch
lässt sich sonst nichts specilisch Griechisches aufzeigen;
man sieht, der byzantinische Einfluss war hier nur durch
die Marcuskirche vermittelt, er war schon mit der Landes-
sitte verschmolzen.
m] Aginc. Taf. 25, Nro. 29-31. Eine bessere Ansicht des Inneren
der Concha mit dem Bischofsstuhl und amphitheatralisch aufsteigenden
Sitzen der Priester findet sich bei Alb. Lenoir, Archit. monastique p. 205.
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