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Italien.
nedig, ursprünglich zum Exarchate gehörig, hatte sich nie-
mals vom oströmischen Reiche losgesagt, war aber eben
so wenig durch dasselbe in der Ausbildung seiner Unab-
hängigkeit und seiner eigenthümlichen Verfassung gehemmt
worden; es hatte daher das Gefühl eines freiwilligen durch
keine Opfer oder Lasten erkauften Zusammenhangs mit
jenem Reiche, den man, da er gelegentlich auch schon ge-
nützt hatte, gern bestehen liess. Dazu kamen später ge-
meinschaftliche Interessen und vorübergehende Bündnisse
gegen die Saracenen, welche Wieder mancherlei freundliche
Beziehungen, Besuche der Dogen in Konstantinopel, sogar
die Vermählung eines Dogensohnes mit einer Prinzessin
des kaiserlichen Hauses, eine Ehre, nach der vor Kurzem
die mächtigsten Könige gestrebt hatten, hervorbrachten.
Bei allem diesem erklärt es sich vollkommen, dass byzan-
tinische Kunst Eingang in Venedig fand imd dass man sie
selbst an der heiligsten Stelle der Stadt, an der St. Mar-
cuskirche anwendete. Die Geschichte dieses Doms ist
nicht weniger dunkel, als die der meisten anderen Kirchen
dieser Zeit. Im Jahre 976 bei einem Aufstande brannte
die damalige Marcuskirche nebst dem herzoglichen Palaste
ab. Schon der Nachfolger des bei dieser Gelegenheit er-
mordeten Dogen, Pietro Orseolo 1., begann einen Neubau,
den man mit der Anlage des gegenwärtigen Domes in Ver-
bindung gebracht hat. VVahrscheinlich begnügte man sich
indessen zunächst mit eilfertig hergestellten Räumen und
begami erst später den Prachtbau. Unter Welchem Dogen
dies geschehen, wer den Plan dazu gemacht, wissen wir
nicht, sogar die Annahme, dass griechische Künstler dabei
zugezogen, beruht nur auf einer, allerdings sehr wohl be-
gründeten, Vermuthung. Unter dem Dogen Contarini um
1043 begann man die Mauern in Ziegelsteinen aufzuführen,
1071 war man so weit gediehen, dass die Vorhalle gebaut