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Italien.
reichte, anderweite Belehnungen gegeben. Ueberall bildeten
sich daher theils städtische, theils fürstliche Territorien, die
streitend neben einander standen. Der Wunsch, eine ein-
heitliche Obergewalt in Italien herzustellen, hatte dazu bei-
getragen, karolingischen Fürsten und den deutschen Königen
die kaiserliche Würde zu verschaffen. Aber diese Herr-
scher waren Fremde, die ihren Sitz ausserhalb des Landes
hatten, gegen welche die Italiener keine moralische Ver-
ptlichtilng fühlten, die man nur benutzte, um durch sie zu
vortheilen. Daher bildete sich schon jetzt eine eigennützige,
unsittliche Politik aus, welche die Gesinnung im Innersten
verderbte. Schon Luitprand, ein Geschichtschreiber des
zehnten Jahrhunderts, spricht es aus, dass die Italiener
immer zwei Herren haben wollten, um den einen durch
Flucht vor dem Anderen zur Nachgiebigkeit zu bewegen.
Dazu kam die Stellung der Kirche. Jenseits der Alpen er-
schien sie bloss als die geistliche Macht, sie gab dort das
Bild einer grosseil Einheit, welches die Nationen anreizte,
auch in weltlicher Beziehung sich einig zu gestalten, sie
gab den Unterdrückten Schutz gegen die Willkür der Macht-
haber, sie nöthigte andererseits dmch ihre Uebergriffe die
weltliche Macht zur Concentration. In Italien war der rö-
mische Stuhl zugleich eine Weltliche Macht, schon frühzei-
tig mit 'l'errit0rialansprüchen, und doch wieder mit Tenden-
zen, die nicht auf italienische Nationaleinheit zielten, son-
dern weit darüber hinaus gingen; er konnte daher nicht
den vereinigenden Mittelpmikt bilden. Auch die Bischöfe
benutzten, durch die Verwirrung selbst dazu getrieben, den
Mangel naher durchgreifender königlicher Gewalt, um ihre
geistlichen Rechte durch Weltliche zu verstärken. Die Kirche
selbst gab daher das Bild der Zerrissenheit. Sogar jene
Ueberreste alter Bildung lähmten die Kraft der Nation. In
Deutschland wurden die vereinzelten, aber gleichartigen