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Deutung
der
Geschichte.
kraft und die tiefsten Gedanken fand , ganz von Gott
verlassen gewesen; man meinte, dass er sich auch unter
ihnen nicht nnbezeugt gelassen, und nahm keinen An-
stand, heidnische Helden als Vorbilder christlicher Tugen-
den zu benutzen.
Dazu
kam
noch
ein
besonderer
Umstand.
Bei
den
alten
Schriftstellern
fand
man
Nachrichten
VOR
wneis-
sagenden Frauen, deren eine bekanntlich in der frühem,
sagenhaften römischen Geschichte eine Rolle spielte, der
man aber auch andere, in unsicherer Zahl, zugesellte.
Auch die Kirchenvater sprachen bald von einer bald von
mehreren Sibyllen, welche in heidnischer Zeit den
Einen Gott und die Zukunft Christi verkündigt hätten.
In Rom kannte man sogar den Altar, welchen Kaiser
Augustus in Folge solcher sibyllisehen Prophezeiung dem
„Erstgebornen Gottes" errichtet haben sollte. Diese
Sagen nahm das Mittelalter begierig auf, es fand darin
den Beweis einer fortlaufenden Offenbarung unter den
Heiden, es stellte die Sibyllen in Parallele mit den jüdi-
schen Propheten ik). Dies kam denn auch der alten
Literatur zu statten, zunächst und vor Allem dem hoch-
gefeierten Dichter Virgil, der selbst eine solche Sibylle
auftreten lässt, und bei dem man in einer berühmten
Stelle die unzweideutige begeisterte Verkündigung des
kommenden Heils zu entdecken glaubte. Man hielt ihn
daher für einen Schüler jener Seherin Da er aber
Inschrift am Kreuze Chrisii verfasst war. Das Frankfurter Concil
v. J. 794 eifert gegen diesen Jrrthum. (Pertz III. p. Es war
begreiflich, dass man daher auch die Völker dieser Sprachen für
vornehmer hielt, als die Neuem.
Näheres über die Sibyllen bei Piper, Mythologie und Sym-
bolik d. christl. Kunst I. S. 472. if.
Wenigstens war dies ziemlich allgemeine Lehre. Hieronymus