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Die
scholastische
Philosophie.
äussern, bestimmt Formulirten Gründen erwiesen werden.
Dadurch wurden die Scholastiker genöthigt, die Gesetze
des abstracten Denkens zu untersuchen, mit höchster
Schärfe zu deiiniren und zu distinguiren und ihre Be-
hauptungen stets in regelrechten logischen Schlüssen
vorzutragen. Dieser pedantische Formalismus hinderte
sie an Freier Entwickelung und gestattete ihnen nicht,
zu neuen, überzeugenden Resultaten zu gelangen, aber
er bildete das reflectirende Denken zu einer Genauigkeit
und Präcision aus, welche der modernen Welt zu Statten
kam, und durch welche es das Werkzeug kritischer Beob-
achtung und das unentbehrliche Mittel aller wissenschaft-
lichen und praktischen Leistungen, deren wir uns rühmen,
geworden ist. Jedenfalls war diese Schule für das
Mittelalter höchst wichtig und erfolgreich; sie brachte
Ordnung und Festigkeit in die Verhältnisse. Alle Be-
strebungen des Mittelalters in politischer und kirchlicher
Beziehung gingen darauf hin, die widerstrebendeil An-
forderungen der Freiheit und Einheit auszugleichen, den
Einzelnen Unabhängigkeit und Selbstständigkeit zu ge-
währen, und die Einheit des Ganzen dadurch herzustellen,
dass man kleinere und grössere Gruppen bildete und in
Verbindung brachte. Dasselbe Verfahren, das hier aus
innerer Nothwendigkeit hervor-ging, wandte die Schola-
stik auf dem Gebiete des Gedankens an, indem sie
distinguirte, deünirte, Prämissen feststellte, sie im logi-
schen Schlüsse verband, und aus den Resultaten des
Schlusses in gleicher Weise zu neuen Combinationen
Fortschritt. Sie that also mit Bewusstsein dasselbe, was
man dort aus Instinkt und in schwankenden Versuchen
erstrebte, sie zeigte die Regel, deren man dort entbehrte.
Es war daher natürlich, dass man sich ihr anzuschliessen