Trivium
und
Quadrivium.
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diese
Schulstudien
reiheten
sich
dann
die
römischen
storiker und andere Schriftsteller, die man theils zur
Uebung im Lateinischen, als der Kirchensprache, theils
um daraus nützliche Kenntnisse zu schöpfen, fortwährend
las. Alle diese Kenntnisse Wurden aber, weil man sie
als Einleitung zur Theologie oder als Vorübung zum
Kirchendienste betrachtete, von dem Heiligenscheine der
Kirche umfasst. Man verzichtete auch hier, wie bei
den Glaubenslehren, auf eignes Urtheil und hielt sich an
das geschriebene Wort.
Indessen blieb es dabei nicht; bei Einzelnen regte
sich doch immer der Trieb nach tieferer Erkenntniss.
Sie begannen damit, es sich als eine strafbare Vernach-
lässigung vorzuwerfen, dass sie sich nicht bemüheten,
die Glaubenslehren, so weit als möglich, zu begreifen
sie suchten daher sie zu erklären, zu beweisen, ihre
scheinbaren Widersprüche aufzulösen, und wurden da-
durch genöthiget, die in ihnen liegenden Begriffe näher
festzustellen, von andern ähnlichen zu unterscheiden, und
endlich den ganzen Inhalt der Glaubenslehren in ein voll-
ständiges Lehrgebäude zu bringen. Dies gab die eigent-
liche Wissenschaft des Mittelalters, die s. g. schola-
stische Philosophie. Eine Philosophie im neuern
Sinne des Wortes, eine völlig freie Forschung, die sich
von allen Voraussetzungen lossagt, war es nun freilich
nicht, sondern nur ein Erkennen und Begreifen gegebene!"
Wahrheiten. Es konnte nicht fehlen, dass die Kirche
Anselm von Canterbury: Negligentia mihi videtxir, si post-
(luam confirnxati sumus in flde, non studemus, quod credimus, in-
Wlligere. Dennoch hält er auch diesen Gedanken noch für eine
Versuchung _des Teufels; er kämpft damit Tag und Nacht, bis ihm
Gott im Trauma die Gründe für den Beweis seines Daseins giebt.
Tßllnemann, Gesch. d. Phil. VIII. 117.