Festlust.
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Glanze ausgestattet, und sie behielten immer ein ernstes,
religiöses Element; selbst die bacchische Raserei hatte
noch das Bewusstsein einem Gotte zu dienen, und ge-
wöhnlich entfernte sich der Ton der Lust nicht weit von
der milden und heitern Behandlung der ernsten Ange-
legenheiten. Hier dagegen erhielt die Freude grade
durch die starke Betonung des Ernsten eine elastische
Kraft, welche sie bis zum Uebermuthe steigerte; statt
jenes Mittelmaasses antiker Heiterkeit bewegte man sich
in den Extremen des Trüben und des Grellen. Allein
auch hier berührten sich die Gegensätze; die Lust wurde
zur Schuld, die Schuld zur Reue, der Sündige musste die
Stille der Kirche und das Bussgewand des Klosters von
Neuem suchen, und die Festlust selbst führte zur Kirche
zurück. Die Kirche war der grosse Grundaccord, in den
alle Dissonanzen sich auflösen. Vor ihr verschwindet
der Unterschied der Stände, vor ihr der Gegensatz von
Tugend und Sünde, und die ganze bunte, wechselvolle
Mannigfaltigkeit des Lebens dient nur dazu, ihre all-
gegenwärtige Einheit in ihrer Machtvollkommenheit zu
zeigen.