Festlust.
57
anzuziehen und benutzte das Zusammenströmen des Volkes,
um ihm durch Bilder oder Schaustellungen die heilige
Geschichte oder nützliche Wahrheiten zu versinnlichen
und einzuprägen. Diese Tage kirchlicher Feier dienten
dann auch dem weltlichen Treiben zu seinen Zwecken;
an den hohen christlichen Festen versammelten die Für-
sten ihre Lehnsleute, schlug der Handel seine bunten
Buden auf, wetteiferten die Corporationen und Zünfte in
prunkhaften Aufzügen und derben Genüssen. Die Kirche
sah diese Mischung des Weltlichen mit dem Heiligen
nicht ungern oder konnte sie doch nicht verhindern. Sie
musste sogar dulden, dass der Witz des Volkes sich
dabei freier bewegte und selbst ihre eigene Autorität
nicht schonte. Sie wusste, dass ein natürliches Wider-
streben gegen ihre Herrschaft darin einen im Ganzen
unschädlichen Ausweg fand, und konnte im Gefühle ihrer
ungefährdeten Festigkeit selbst dem muthwilligen Treiben
mit Langmuth zusehen. Es ist bekannt, wie weit ein-
zelne Volksgebräuchedieser Art über alle billigen Gräu-
zen hinausgingexl; das Narren- und Eselsfest, die Wilden
Mummereien und Tänze, die oft nicht blos an Feiertagen,
sondern sogar in den Kirchen selbst ausgeführt wurden,
erscheinen uns mit einer ernsten Religiösität unvereinbar.
Allein das Mittelalter dachte darin anders; es fasste
alles äusserlicher, sinnlicher auf, beschränkte die Anfor-
derungen christlicher Frömmigkeit mehr auf einzelne
kirchliche Handlungen, als dass es eine Durchdringung
des ganzen Lebens forderte, und gestattete allSSeP den
Momenten reumüthiger Zerknirschung auch Wieder eine
derbe, übermüthige Lust. Die Kirche begnügte sich die
Zügellosesten Ausartungen zu untersagen und gestattete
auch da, unter dem Namen von Kinderfesten possenhafte