Trachten.
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immer die natürliche Farbe des Metalls, des Eisens oder
in seltenen [Fällen bei Fürsten der Vergoldung. Dagegen
bildeten das Ueberkleid und später der Helm die Stellen,
wo sich glänzender Schmuck, dort von Stickereien, hier
von Aufsätzen anbringen liess; hier und auf dem Schild e
wurden die Wappen oder phantastische Zeichen mancher
Art angebracht. Dabei durfte die Lanze des Fähnleins
nicht entbehren und das Ross erhielt, wie der Ritter,
Schutz und Schmuck durch lange Decken und durch
Kopfzierden. S0 war die ritterliche Tracht noch künst-
licher und complicirter als die geistliche und dabei nicht
wie diese durch ein bestimmtes Gesetz geregelt, son-
dern nach manchen Rücksichterx der Zweckrnässigkeit
und der Eitelkeit vielfach wechselnd. Zu Hause oder
bei friedlichen Festen trugen auch die Ritter wie die
Geistlichen eine lange frauenliafte Tunica, nur dass die
des Geistlichen weit und faltenreich war und den Körper
völlig verhüllte, während die des Laien umgürtet wurde
und wenigstens die grösseren Theile deutlich bezeichnete.
Doch waren auch hier nur die allgemeinen Umrisse
kenntlich; die feinere Gliederung, das lebendige Spiel
der Muskeln wurde durch den groben Stoff oder noch
mehr durch das schwer bei-abfallende Netzwerk des
Harnisches völlig verborgen. Man sah dadurch die For-
men abgestumpft und wie unausgebildet, nicht mit dem
lebendigen, individuellen Ausdruck der Personen. Allßh
die Tracht war also künstlich, aber doch roh, Weil Sie
nur plumpe, abgerundete Formen zeigte, züchtig, weil
sie das Nackte verhüllte, und doch sinnlich, weil sie das
Auge an die Buntfarbigkeit des Stoffes gewöhnte. Die
verschiedenen Stände waren dadurch getrennt, aber
doch einander ähnlich, und die geistliche Tracht hatte