Folgen
des
weiblichen
Einflusses.
meisten schätzte, Demuth und Tapferkeit. Man war
nicht mässig und durchbildet genug , um die Selbstver-
leugnung geräuschlos, aber beharrlich und stets wieder-
holt zu üben, sondern verlangte einen raschen für immer
bindenden und entscheidenden Akt. S0 fasste man die
Liebe zu Gott als Weihung oder Gelübde, die Liebe zu
den Menschen als die unwiderstehliche Gewalt eines
jugendlichen Gefühls. Daher standen die weltliche
_und die heilige Liebe nicht gar fern von einander.
Jene nimmt die Gestalt eines Wunders an, welches, Wie
der Glaube, den Menschen neu gestaltet und, wie das
Gelübde, plötzlich und für immer fesselt; diese sucht
bestimmte, fest begränzte Gestalten, wendet sich lieber
an die Heiligen als an den höchsten Gott, und äussert
sich in Empfindungen, die denen der irdischen Liebe
nicht fern stehen. Daher sind selbst auf diesem Gebiete,
obgleich das Keuschheitsgelübde der geistlichen Welt
eine scharfe Scheidewand zu ziehen scheint, die Stände
einander nahestehend; es sind dieselben Grundtriebe, die
sich nur in verschiedenen Gradationen äussern.
Ueberhaupt können wir jetzt, nachdem wir die Stände
und Geschlechter einzeln betrachtet haben, wahrnehmen,
wie, bei aller äussern Ungleichheit, das sittliche Wesen
in ihnen dennoch ein einiges ist. Demuth ist die
Grundlage, Liebe die höchste Aeusserung, und in
der mittlern Region herrscht überall dieselbe Weichheit,
derselbe weibliche Zug. Selbst die Leidensohaftlichkeit
der Männer, so gewaltsam ihre Ausbrüche sind, ist nur
eine Folge der damit verbundenen Schwäche, und die
Neigung sich einer äussern, conventionellen, und des-
halb für die Stände verschiedenen Regel z" unterwerfen,