Verehrung
der
Frauen.
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Ansehn.
Die Frauen
wirkten
nicht
blos
als
Lehrerinnen
und Vermittlerinnen der Frömmigkeit, sondern sie gaben
auch die unmittelbare Anschauung des Heiligen. Priester
und Mönche waren zwar die Verwalter und Diener des
Heiles auf Erden, aber sie sprachen es nicht an ihrer
Erscheinung aus. Der Kampf, den sie zu kämpfen hatten,
der Kampf mit der Sünde bei sich und bei Andern, liess
Wunden und Schwielen zurück, wie der Kampf mit dem
Eisen, und gab ihrem Wesen etwas Rohes oder Strenges,
das nicht gestattete, sich in ihnen himmlische Gestalten
zu vergegenwärtigen. Die Frauen dagegen "in ihrem
sanften Dulden, in der Innigkeit des Gefühls und der
stillen Ausübung christlicher Pflichten mussten zwischen
den Iinstern Gestalten dieser kämpfenden Zeit wie höhere,
reinere Wesen erscheinen. Bei ihnen fand der. heimge-
kehrte, kampfesmüde Krieger wohlthätige Ruhe, sanfte
Pflege, Worte des Trostes. Es musste ihn ein Gefühl
ergreifen, wie in der Kirche, dass er leiser auftrat, und
das rohe Wort zurückhielt. Wo sollte er Anschauungen
hernehmen, um sich die Ruhe des Himmels, den sanften
Glanz der Engel und Heiligen vorzustellen, wenn nicht
von diesen lieblichen Gestalten?
Es ist ausser Zweifel, dass die Bedeutung des
Marien cul tus mit dem steigenden Ansehen der Frauen
zunalnn. Indem man auf Erden sich gewöhnte, bei
Frauen mehr als bei Männern Trost und Hülfe zu linden,
musste man auch im Himmel am liebsten die weibliche
Gestalt aufsuchen, welche gewähren konnte, was stren-
gere Gerechtigkeit verweigern möchte. Diese Glüriß
der himmlischen Jungfrau musste aber auch Wieder die
Eigenschaften
selbst zuschreibt, zeigt deutlich, wie sich aus Sßlßhell
eine wachsende Verehrung entwickeln müsste-