Die
Frauen.
Zwiespalt des Gefühls. Das Bewusstsein dieser Nie-
drigkeit erschwerte das Aufkommen feinerer Empfin-
dungen, und verleitete zu unwürdiger Unterwürfigkeit
und zur Wahl unedler Mittel. VVenn dagegen die
Anmaassungen der höhern Stände die Bürger empör-
ten, oder wenn bei den idealen Bestrebungen derselben
dennoch die Schwäche der menschlichen Natur recht
grell hervortrat, dann fühlten sie sich wieder in ihrem
Rechte. Dies gab ein Behagen an ihrer einfachen Exi-
stenz, an dem unverkümmerterl derben Genusse, das
sich leicht mit einem bald gutmüthigen bald bittern Spotte
gegen das ideale und vornehme Treiben verband.
S0 haben wir den Kreis der männlichen Gestalten
überblickt, und wenden uns nun zu den Frauen. Be-
kanntlich genossen sie in keiner Zeit eine grössere Ver-
ehrung als im Mittelalter. Man hat auch diese Erschei-
nung aus altgermanischen und allgemeinen christlichen
Ansichten erklären Wollen. Allein jene Ehrfurcht der
Deutschen des Tacitus, die in den Frauen etwas Hei-
liges und Prophetisches erblickten, war mit dem Heiden-
thume verschwunden, wir finden schon in der Völker-
wanderung keine Spur davon i). Das Christenthum
sichert sie zwar vor orientalischer Dienstbarkeit, spricht
aber ihre Unterordnung unter den Mann, ihr Schweigen
in der Kirche sehr ernsthaft aus. Der Grund jener Ver-
ehrung war einfach, dass sie sie verdienten, nicht deshalb
weil sie besser gewesen wären, als Frauen anderer
4') Theoderichs Tochter, die kluge Amalasunllna, wagte es nicht,
die Herrschaft über die Ostgotlnen allein zu führen, sie nahm Theodat
zum Mitregenten, nne pro sexus fragilitate a Gothis spernerelurß
(Jornandes c. 59). Sie hatte während der Vormundschaft ihres
Sohnes darüber bittere Erfahrungen gemacht.