Bürgerliche
Sitte.
steigern und wenigstens besser s cheinen. Diese künst-
lich e Ueberhebung rief sogleich einen Gegensatz her-
vor, der ritterlichen Sitte trat eine bürgerliche an
die Seite.
Indern die Bürger der Städte sich ihrerseits mit der
plumpen Rohheit der Bauern verglichen, und auf christ-
liche Ehrbarkeit, auf einen gewissen Anstand, auf Ach-
tung ihrer Standesgenossen Anspruch machten, musste
auch bei ihnen ein höheres Selbstgefühl entstehen. Es
konnte nicht unbemerkt bleiben, dass neben der erlernten
Tugend und Zierlichkeit" der Ritter die derbe unge-
schminkte Wahrheit einer einfachem Sitte ihren eigen-
thümlichen Werth habe, und die Städte hatten allen
Beruf dazu eine solche auszubilden. Während dort nur
das Ausgezeichnete galt, blieb man hier bei dem Ge-
wöhnlichen und Nützlichen stehn. Statt des Ruhmes
suchte man nur unbescholtenen Ruf, statt des Abenteuers
die Häuslichkeit, statt verschwenderiseher Freigebigkeit
sparsames, wirtbscliaftliches Wesen, statt des gewagten
Waifenspiels den langsamen Erwerb des Fleisses. Aber
freilich war damit ein gewisses Gefühl der Niedrigkeit
verbunden. Die Bürger dieser Städte waren denn doch
sehr verschieden von denen der alten Welt; sie waren
nicht Herrschende, sondern nur Befreite, ihre Rechte
gingen nur so weit, wie ihre Freiheitsbriefe , sie fühlten
sich noch ilahe dem Stande der Hörigen. Diese Nie-
drigkeit hatte sogar den Anstrich einer Schuld; neben
der Selbstverleugnung des Geistlichen, der Kasteiung
des Mönchs, der aufopiernden Kühnheit des Ritters er-
schien das bürgerliche Treiben, das blos um Nahrung
und häusliche Ordnung bekümmert war, allzusehr am
sinnlichen haftend. Dadurch entstand ein eigenthümlicher