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Die
ritterliche
Ehre.
und der Geburt übersieht. Nicht ganz geistlich und
nicht bloss weltlich stand das Ritterthum recht eigentlich
in der Mitte der Zeit und repräsentirte mehr als irgend
eine andere Institution das ganze Wesen derselben.
Aus dieser eigenthümlichen Stellung ergab sich der
Begriff der ritterlichen Ehre. Zu allen Zeiten erfordert
jede Aristokratie von ihren Mitgliedern die Beobachtung
eines gewissen Anstandes, die Erfüllung moralischer
Pflichten, nicht blos aus innern Gründen, sondern auch
des Scheines halber. Hier bekam dies durch die Grund-
lage eines religiösen Gelübdes, durch die Unbestimmtheit
und Schrankenlosigkeit desselben, durch die der Zeit
eigenthürnliche Begeisterung und die Neigung zum Wun-
derbaren, und andrerseits durch den Gegensatz der
herrschenden Demuth eine ungewöhnliche Färbung. Es
lagen darin Motive der Bescheidenheit und der Eitelkeit
gemischt; die That war nur Pflicht, angelobte und stan-
desmässige Pflicht, und doch wieder freie, den Ruhm
und das Ansehn der Person und des Standes fördernde
Leistung, eine Leistung, in der das aufgeregte, schwär-
merisehe Gefühl sich genügte und auch Andern Zeugniss
von seinem kühnen Fluge ablegte. Alle strebenden
Kräfte frommer Begeisterung, jugendlicher Kampfeslust,
kriegerischen Ehrgeizes, begehrliehen Muthes Wurden
dadurch angeregt und steigerten sich im VVetteifer der
Standesgenossen. Diesem Streben eröffneten nun die
Verhältnisse der Zeit das weiteste Feld; vor ihm lagen
die Länder des Abendlandes mit ihren Fehden, mit
Rechten, die zu vertreten, mit Unbilden, die abzustellen
waren, die Länder des Orients mit ihren Heiligthümern
und Wundern. Weder der Zahl noch dem Maasse der
'l'haten
wallen
Gränzen
gestellt,
nichts
war
dem
Muthe