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Das
Ritterthum.
für dieselbe. Die sittlichen Aussprüche der Evangelien
haben zwar die Form von Geboten; in der That sind
sie aber viel mehr als dies, gewaltige, zeugende Worte,
lträftig genug, um die Gesinnung; ganzer Völker umzu-
gestalten, viel zu gross und mächtig, um als Vorschriften
der unmittelbaren Ausübung zu dienen, ja sogar als
solche mit dem Bestehen der rechtlichen Weltordnung
unvereinbar. Dieser Widerspruch trat besonders schreiend
hervor, wenn man bei dem edlen und selbst so nothwen-
digen Waffenhandwerke sich
liebe und ähnlicher erinnerte.
des Gebots
Man suchte
der
also
Feindes-
zunächst
einen Mittelweg und fand ihn in der Form des Gelübdes;
die Beschränkung und lilntsagungj, Welche man sich da-
durch auferlegte, rechtfertigte, was innerhalb derselben
lag. Solche Gelübde fanden als lobenswerthes Beispiel
Nachahmung, Wurden durch den friedenstiftenden Einfluss
der Geistlichkeit über ganze Provinzen verbreitet und
bald als Sitte gefordert. S0 der s. g. Gottes friede,
treuga dei, gleichsam die 'l'heilung der Zeit in eine
friedliche, büssende und eine kriegerische Hälfte. Bald
ging man weiter. Das Geringste, was zu fordern war,
bestand in Regeln für die Handhabung der Waffen wäh-
rend der kriegerischen That selbst, und auch diese wurden
daher Gegenstand des Gelübdes. S0 fest wie das
mönchische Gelübde konnte natürlich das ritterliche nicht
werden; die Vorschrift für die That liess sich nicht so
deutlich formuliren, wie die Entsagung. Daher bildete
sich keine gleiche, überall beobachtete Formel aus.
Gewisse Vorschriften sind zwar stets wiederkehrend;
Gottesfurcht, Schutz der Kirchen, der Frauen und der
Schwachen, ehrlicher Kampf und Worttreue werden
gewöhnlich angelobt, zuweilen aber noch bestimmtere