Volltext: Geschichte der bildenden Künste im Mittelalter: Das eigentliche Mittelalter (Bd. 4 = [2], Bd. 2, Abth. 1)

Wechsel 
V01] 
Demuth 
und 
Hochmuth. 
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Und wirklich bewegte sich der ganze Gegensatz 
des Guten und Bösen um diese eine Eigenschaft, alle 
Fehler und Tugenden erhielten dadurch Farbe und Gestalt. 
Auch das Hochstrebende ging aus ihr hervor. Die Demuth, 
weil sie sich gering achtet, ahnt, sucht und liebt ein 
Höheres. Sie ist bedürftig und sehnsüchtig, vertrauend 
und hingebend, strebsain und rüstig. Sie erzeugt daher 
Frömmigkeit, Begeisterung, Aufopferung und Selbst 
Muth. Die sinnliche Demuth aber, die nicht vorbe- 
reitet ist Wahre Güter von falschen zu unterscheiden, 
macht leichtgläubig, ergreift das Nichtige statt des 
Ewigen, berauscht sich in irdischen Genüssen, wird 
unstät und veränderlich und durch eine geringe Lochung 
vom rechten Wege abgeleitet. Das Bewusstsein dieser 
Schwäche rief das Bediirfniss nach einer äussern Regel 
hervor, wie die des Mönchs und des Geistlichen. Auch 
die Laienwelt suchte nach einer solchen Stütze, und der 
Erfolg dieses unwillkürlichen Strebens war das Ritter- 
th um. 
Man hat das Ritterthum oft bloss aus der altger- 
manischen Waffenfähigkeit erklärt, welche ein Vorrecht 
und Kennzeichen des Freien und Ehrenhaften War, und 
dem freigebornen Jüngling feierlich verliehen wurde, 
Man hat geglaubt, dass diese heidnische Sitte sich durch 
fromme, der Priesterweihe nachgebildete Formen auf 
christlichem Boden Duldung und Bürgerrecht verschafft 
habe. Allein hier wie immer erklärt die Beibehaltung 
hergebrachter Gedanken und die Entlelmung äusserlichei- 
Formen die Sache nicht; sie zeigt nur das Material, 
welches der Zeitgeist benutzte, um das ihm Nothwendige 
ZU bilden. Es handelte sich hier um die Erschaffung 
einer ausführbaren Moral oder doch eines Surrogates
	        
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