Charakterlosigkeit
der
Laien.
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konnte und sich begnügen musste, ihn zu leiten und vor
grobem Frevel zu wahren
Dieser Zustand der Leidenschaftliehkeit und Cha-
rakterlosigkeit dauerte weit länger als jene Verwilderung
des Staats und der Kirche, Während Welcher er sich
gebildet hatte; er bestand noch gleichzeitig mit der
ehrenhaften Ordnung des Lehnsstaates und der feurigen
religiösen Begeisterung. Grade dadurch wurde das Uebel
gesteigert; der Gegensatz gegen die geforderte Reinheit
und gegen die Lehren, zu denen sich Alle bekannten,
erregte das Gewissen schon während der 'l'hat und gab
ihr einen Anstrich bewusster Ruchlosigkeit, der die
Leidenschaft noch heftiger stachelte. Allein er bewirkte
auch eine tiefere Reue, und, wenn auch nicht die Kraft,
künftiger Versuchung zu widerstehn, doch das demiithige
Gefühl tiefer Sündhaftigkeit und Verderbniss, und damit
war auch hier der Wendepunkt, der Anfang eines neuen
sittlichen Systems gegeben.
In allem Modernen, in Gestalten und in Handlungen,
erkennen wir einen wiederkehrenden Zug, der, so ver-
schieden er sich an Einzelnen und im Laufe der Jahr-
hunderte zeigt, sie alle gemeinsam von den Erzeugnissen
des Alterthums unterscheidet. Ihnen fehlt jene hohe
einfache Schönheit, aber an ihre Stelle ist etwas
Schlichtes, Menschliches getreten, das uns warm und
liebevoll anspricht, ein Zug der Demuth, der als der
allgemeine Charakterzug christlicher Zeit auch dann
noch kennbar ist, wenn das Individuum sich stolz oder
hochmiithig ausgebildet hat.
f) Agobard, Erzb. v. Lyon (S40), schrieb gegen die Gottes-
llrthcile: Apparet, non posse caedibus, ferro vel aqua occultos et
latentes res inveniri, nam si pnssent, ubi essent occulta Dei
Judieia. Vgl. überhaupt Grimm, deutsche Rechts Alterth. 909,