Volltext: Geschichte der bildenden Künste im Mittelalter: Das eigentliche Mittelalter (Bd. 4 = [2], Bd. 2, Abth. 1)

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Plastik 
und 
Malerei. 
mag man sie als ein müssiges Spiel des Scharfsinnes 
ansehen, welches das Gemüth kalt lässt. In anderen 
entsteht nur eine blosse Sammlung von allerlei Wahrheiten 
und Nachrichten. Wenn aber diese Bildergruppen in 
einem wahrhaft künstlerischen Sinne gedacht, wenn sie 
mit geistreicher Benutzung der symbolischen Abbre- 
viaturen ausgeführt sind, ist ihnen eine grosse eigen- 
thümliche Schönheit nicht abzusprechen. Ich will zu- 
geben, dass diese Schönheit nicht eine ausschliesslich 
plastische ist, allein sie gehört doch der bildenden Kunst 
an; sie beruht auf einer Durchdringung plastischer und 
architektonischer Elemente. Denn nur eine grosse Fein- 
heit des architektonischen Sinnes machte es möglich, ver- 
möge der Stellung der einzelnen Figuren oder Gruppen 
ihre innere Beziehung zu einander auszusprechen. Wie 
kraftlos ist eine wörtliche Auseinandersetzung der Her- 
gänge gegen den Eindruck, welchen die Seele durch 
das Auge empfängt, wenn es von oben nach unten ge- 
leitet, den Gegensatz des Irdischen und Himmlischen, 
oder in den symmetrischen Beziehungen die innere Ver- 
bindung verschiedener Gegenstände, ihre Vermittelung 
durch einen dritten Hergang wahrnimmt. Man besass 
dadurch ein Mittel, die tiefsten Gedanken mit plastischer 
Klarheit auszusprechen, Gedanken, welche einer anderen 
Kunstrichtung unzugänglich geblieben wären. 
In der That gelangte die Kunst des Mittelalters erst 
dadurch auf die Höhe ihrer Zeit. Die sentimentale oder 
ruhige Frömmigkeit einzelner Gestalten erschöpfte das 
religiöse Gefühl des Mittelalters nicht. Dies beruhte ganz 
auf jenem grossen Gedanken, zu welchem die Scho- 
lastik hinstrebte, mit welchem die Mystik rang, auf jener 
festen Ueberzeugung, dass alle Dinge ihren Maassstab
	        
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