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Plastik
und
Malerei.
Einschluss der physischen und geistigen Naturgeschichte;
sie beginnt also mit der Schöpfung, betrachtet dann nach
der Austreibung aus dem Paradiese die Natur in ihrer
Beziehung auf den Menschen, den Kalender mit dem
Wechsel der Landarbeiter], die Handwerke, die Künste,
geht darauf die 'l'ugenden'f) durch, und gelangt nun erst
zur heiligen Geschichte, welche auch das Leben Christi
umfasst und mit der Krönung der Jungfrau schliesst. Es
ist sehr merkwürdig, dass auch hier, wie in Freiburg,
die Jungfrau mit dem Naturleben in Verbindung gebraehtist.
In diesem Falle wie in vielen anderen gab also die
gewaltige Anhäufung der Statuen nur eine Art von chro-
nologischer Encyklopädie, ähnlich den grossexm Sammel-
werken der Wissenschaft. Allein auch dies beruhte auf
symbolischen Mitteln; auf der Symbolik des Raums, und
auf der Uebung, leise Andeutungen und die kürzesten
Abbreviaturen zu gebrauchen und zu verstehen.
Diese Symbolik war nicht auf die Plastik an der
Architektur beschränkt, sondern machte sich bei allen an-
deren Kunstleistungeil geltend. Sehr bedeutsam und schön
erscheint sie namentlich an Kircheugeräthen, wo oft
aus dem phantastischen Spiele der Ornamente Gestalten
hervortreten, welche die Bestimmung des Gefasses zart
und tiefsinnig darstellen. Da sieht man an den Rauch-
gefässen die drei Männer im feurigen Ofen, deren Ge-
stalten daran erinnern, wie aus der Flamme des Herzens
das inbrünstige Gebet, dem Weihrauchdufte gleich, zum
Herrn emporsteigt, welches dann noch durch einen Engel
Die Tugenden erscheinen in sehr grosserZahl. An 14 grossen
Statuen derselben befanden sich Inschriftexr, von denen: Virtus, Li-
bertas, I-lonor, Velocitas, Fnrtiludo, Concordiu, Amicitia, Rlajestas,
Sanilas, Securilas kennbar waren. Es sind also mehr Eigenschaften,
als Tugenden in unserem Sinne des Worts.