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Charakterlosigkeit
der
Laien.
man wollte die Gerechtigkeit Gottes auch sinnlich erkenn-
bar haben. Da aber das Unglück nicht immer die Sünder,
sondern manchmal auch die anscheinend Reinen und Hei-
ligen traf, so konnte man nicht umhin auch feindliche
Mächte für wirksam zu halten. Man half sich leicht
über die schwierige Frage fort, warum die Vorsehung
solche Störungen dulde "U, und war stets bereit die guten
Thaten der Menschen einem Engel, die Bösen dem
Teufel zuzuschreiben im). S0 konnte der Sünder die
Schuld von sich ablehnen, sie dem Feinde des mensch-
lichen Geschlechts aufbürden, der Beobachter sich müh-
samer Prüfung der Motive über-heben. Man wagte nicht.
leicht ein Urtheil zu fällen, man stellte mit moralischer
Bequemlichkeit die Entscheidung dem höhern Richter
anheim, überliess sie dem Gottes urth eile. Diese
aus dem germanischen Heidenthume her-stammende stolze
und kriegerische Sitte nahm unter dem Einflusse des
Christenthums leicht das Gewand demüthiger Unter-
werfung und frommer Ergebung an, und fand ihre Stütze
in dem Gefühle, dass die Zeit zu vernünftiger Ergrün-
dung und richtiger Beurtheilung der That nicht reif sei.
In diesem Anlehnen an christliche Begriffe und an das
Bedürfniss lag die Ursache, weshalb die Kirche diesen
Gebrauch, gegen den sie vielfach eiferte, nicht abstellen
4') Naiv genug sagt dann wohl ein Chronist, dass hier der
gute Jesus geschlafen habe. (So bei der Misshandlung des Papstes
Gelasius II. im Jahre 1118: nJesu bono dormienteß Schlosser II.
2. 239.)
M) Nicht bloss bei verwickelten Vorfällen, wo die Einwirkung
des Teufels als bloss versuchende gedacht werden konnte, kommen
Phrasen vor, wonach "Diabolus humani generis inimicus fomitem
scmimwit diScm-diaesc (Calfari. Anna]. Genuenses), sondern auch völlig
freie, unabhängige Handlungen Einzelner werden: instinctu daemonis,
oder: per angelum Satanae vollbracht. (Lamb. Asch. ad ann. 10-57).