Darstellung
Kirche,
Tugenden
etc.
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frauen züchtig im Nonnenschleier verhüllt, die tliörigten
weltlich geschmückt erscheinen. Ein grelles Lächeln,
das man oft bei ihnen bemerkt, deutet nicht immer auf
die Eitelkeit der Letzten hin, da es auch an heiligen
Gestalten als ein verfehlter Ausdruck der Freundlichkeit
zuweilen vorkommt. Am grossen Portal zu Amiens ist
den klugen Jungfrauen ein kräftiger mit Blättern und
Früchten bedeckter Baum beigegeben, an welchem Lam-
pen hängen und in dessen Laub Vögel sitzen, den thö-
rigten aber ein entlaubter, in dessen Stamm die Axt
steckt. Offenbar der gute Baum und der schlechte, welcher
abgehauen und in's Feuer geworfen werden soll, von
welchem Matthäus in der Bergpredigt und Lucas bei dem
unfruchtbaren Feigenbaume sprechen.
Andere häufig vorkommende Personiiicationen sind
die bereits erwähnten der Kirche und Synagoge, jene
mit Kreuz und Kelch oder mit dem Buche, diese mit
verbundenen Augen. Ferner die Tugenden und die sieben
freien Künste. Beide erscheinen fast immerin weib-
licher Gestalt, wie Duraxldus sagt, weil sie besänftigenz
und nähren"). Die Paradiesesflüsse, als halb nackte
männliche Gestalten mit Urnen , werden häufig mit den
vier Kardinaltugenden zusammengestelltw) und Sonne
4') Virtutes in mulieris specie designantur, quia mulcent et nn-
triunt Lib. I. cap. 3. Der Grund passt auch auf die Wissenschaften,
die freilich im Sinne des Mittelalters eine Art der Tugenden sind.
Doch giebt es auch Ausnahmen von jener Regel; in Moissac, Civray,
Parlhenay und an anderen Orten in Frankreich sind die Tugenden
(in Moissac mit beigefügten lnschriften) als bewatfnete Männer
dargestellt, und gewiss hat man häulig bei den Kämpfen zwischen
Männern und Thieren an den Kampf der Tugend gegen das Laster
gedacht.
M) So auf dem Taufbecken
D. z. I-L, Taf. 12.
im Dom
ZU
Hildesheim.
Kratz,