384-
Plastik
und
Malerei.
Gott Vater wird das ganze Mittelalter hindurch
ohne Scheu dargestellt, obgleich zuweilen auch noch eine
aus den Wolken reichende Hand ihn andeutetii). Anfangs
gleicht er Christus vollkommen i?) und wir können z. B.
bei der Darstellung in der Glorie, die über den Kirch-
thüren gewöhnlich ist, oft nicht angeben, ob Gott oder
Christus gemeint ist. Im 13. Jahrh. beginnt eine kleine
Verschiedenheit, die man am deutlichsten in Miniaturen
bei der Darstellung der Trinität wahrnimmt; Gott Vater
wird etwas bejahrter, voller, kräftiger aufgefasst. Noch
im 14. Jahrh. stellt ihn zwar Pietro von Orvieto im Campo
santo von Pisa in der Schöpfungsgeschichte jugendlich
mit schwachem Barte dar, im Allgemeinen aber wird er
älter gebildet, mehr als der „Alte der Tage ü betrachtet.
Im 15. Jahrh. wird die Aehnlichkeit mit Christus schwächer;
Ghiberti an den Thüren des Baptisteriums in Florenz und
Benozzo Gozzoli im Campo santo in Pisa zeigen den
Herrn mit langem fliessenden Barte, jener lässt sogar
schon eine leise Einwirkung des antiken Jupiterideales
bemerken, obgleich schlanker, milder, christlicher behan-
delt. Im Ganzen hat die Darstellung in diesem späteren
nur Ein Band (Paris 1843. 4.) unter dem sonderbaren Titel: Histoire
de Dieu. Doch auch in den Noten zu der Uebersetzung eines von
ihm aufgefundenen griechischen Malerhandbuchs (Manuel d'lc0no-
graphie chrelienne. Paris 1845. S.) hat derselbe gründliche Forscher
eine Menge Notizen über diesen Gegenstand niedergelegt.
i) So auf dem Altar des Wolvinus in St. Ambrogio in Mailand
(Agincourt Sc. tab.26. am Dom zu Ferrara und an dem zu Sens
(Didron Icon. chr. p. 212), im Hortus deliciarum bei der Seligkeits-
leiter (Engelhardt a. a. O. Tafel 9).
ü") z. B. in den Malereien von St. Savin im westlichen Frank-
reich selbst in der Schöpfungsgeschichte. Vgl. Peinlllrßs de St. Savin
mit Text. von Merillee. In karolingischen Miniaturen ist Gott sogar
zuweilen (Aginc. Mal. tab. 43), aber nicht immer (daselbst tab. 41)
unbärtig dargestellt.