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Plastik
und
Malerei.
Man hat darin wohl eine geheime Opposition der Laien
gegen dieKirche gesucht; das ist sie aber gewiss in den
seltensten Fällen f), in den meisten ging die Satyre von
Geistlichen und Mönchen selbst aus, welche über die
Sünden ihrer Genossen empört waren und der Würde
des Standes nichts zu vergeben glaubten, wenn sie die
schlechten Mitglieder desselben verspotteten. Der Standes-
geist, welcher sich hütet die Blössen der Seinigen auf-
zudecken, gehört den Zeiten eines wankenden Ansehens
an und war der Kirche des Mittelalters noch fremd. Auch
scheute
die
Geistlichkeit
weder
das
Heitere
noch
die
weltliche Poesie. Auf dem unteren Theile des Sitzes
der Chorstühleiw) finden sich fast immer lächerliche
Karrikaturgestalten; auf der Rückseite heiliger Bilder
brachte man wohl auch-lustige Geschichten aus der Le-
gende aus'm); und die anmuthigen Stoffe der Ritterpoesie
Wie in dem Bildwerke in der Vorhalle von Kloster Laach,
wo der Teufel dem Pelikan, dem Sinnbild der Kirche, eine Schrift-
rolle mit den Worten: Peccata Bomae, die Sünden BORIS, Vürhält.
In Clmuvigny auf einem reich verzierten Kapitäle eine sitzende Frau
mit der Unterschrift: Babilonia magna meretrix-Roma. Merimöe in
seinen Beisenotizen (Ouest. p. 485) ist der Meinung, dass das letzte
Wort der Zusatz eines Hugenotten sei. Da die Schriftzüge den
übrigen gleichen, so scheinen mir die Gründe, welche er anfiihrt, nicht
überzeugend. Auch war ja der Zorn gegen die Sünde der höheren
Geistlichkeit zu Rom im ganzen Mittelalter bei den friimmsten Katho-
liken nichts Seltenes.
i") Der sog. Misericordia, weil die ermüdeten Domherren bei
dem Theiie des Dienstes, dem sie stehend beiwohnen mussten, sich
darauf lehnen konnten. Ich führe keine Beispiele dieser Art an,
weil sie zu häufig sind. Wer nähere Erklärung der einzelnen Theile
der Chorstühie und ihres historischen Ursprungs sucht, findet sie in
dem interessantenAufsatze vonJourdain und Duval über die wStallesß
des Doms zu Amiens in den Mem. des Antiq. de la Picardiravll. p. 81 tf.
mm") S0 auf der Rückseite einer hölzernen Kanzel in St. Fiacre
beiFaouret in der Bretagne der h. Martin, den rlerTeufel zum Lachen