Fabelhafte Thiere.
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ein blutrothes menschliches Antlitz mit gelbem Auge, den
Schweif eines Scorpions, Vincentius von Beauvais aber
auch einen Löwenleib, dreifache Zahnreihen und das
Zischen der Schlange beilegte, und den dieser als ein
Sinnbild des Satans und der dreifachen Begierde der
Fleischeslust, Augenlust und Hoffahrt schildert. Aber
auch gewöhnliche und bekannte Thiere erhalten von den
Schriftstellern des Mittelalters oft eine symbolische Deu-
tung. Die Commentatoren der heiligen Schrift hatten
damit den Anfang gemacht, indem sie bei jeder Bibel-
stelle, wo eines Thieres gedacht ist, allerlei allegorische
Nutzamvendungen auf menschliche Laster entwickelten,
und die Lehrbücher der Naturgeschichte, namentlich die
wegen der den Thieren gewidmeten Vorliebe besonders
häufig vorkommenden nßestiarien", liebten es durch diese
Deutungen ihren Beschreibungen einen höheren Werth
zu verleihen?) Allein eine Zusammenstellung solcher
Deutungen ergiebt schon, dass die Schriftsteller sich
keinesweges bemüheten, dieselben fest auszuprägen,
sondern dass sie vielmehr gern mehrfache Beziehungen
häuften, um ihre Werke desto lehrreicher und erbaulicher
zu machen. Ein fester, in der bildlichen Darstellung
ohne Wörtliche Erklärung einleuchtender Sinn entstand
auf diese Weise nicht und eine allgemein verständliche
S0 Philipp von Than, ein Engländer des '12. Jahrh. in der
Vorrede zu seinem Liber bestiarius (herausgegeben von Wright,
London 1841): Liber iste bestiarius dicitur, quia in primis de bestiis
loquitur, secundario de avibus, ad ultimum autem de lapidibus. Sunt
autem animalia quae natura a Christo prona alque ventri obedientia;
in hoc denotatur pueritia. Sunt etiam volucres in altum volanles, quo
designanlur homines coelestia meditantes. Et natura est lapidis quod
per se est immobilis; ita nobis cum superis sit Deus inelfabilis.
ü") Eine ungewöhnlich gelehrte französische Dame, Frau Felicie
dhäyzac, will sogar (in einem in Cesar Daly's Revue de PArcIIitEeture,
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