Symbolische
Bedeutung
der
Thiere.
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Archäologen wollen, bei jeder der unzähligen Gestalten
dieser Art in der Architektur und Plastik des Mittelalters
eine Bedeutung annehmen, allein in vielen Fällen wvar
allerdings eine solche beabsichtigt. Dahin gehören zu-
nächst die altchristlichen, durch das Herkommen gehei-
ligten Symbole des Lammes für den Heiland und der
'I'hierzeichen für die Evangelisten; allein schon die anderen,
aus derselben Quelle stammenden symbolischen Thiere
z. B. die Taube, der Löwe, der Pfau u. s. w. werden
wohl zuweilen, aber keineswegs immer mit einer sym-
bolischen Beziehung gebraucht. Im Ganzen scheint es,
dass 'l'hiergestalten im Mittelalter nicht leicht als Symbole
für heilige Wesen gebraucht wurden; schon die Ehr-
furcht vor der Tradition gestattete nicht, das Heilige in
anderer, als hergebrachter Gestalt zu behandeln k). Freieren
Spielraum hatte die allegorisirerlde Phantasie auf dem Ge-
biete des Bösen. Die bekannte halbthierische Gestalt
des Satan mochte sich in der Vorstellung des Volkes
schon länger ausgebildet haben, fand aber in der Kunst
erst später Eingang. Dagegen liebte man frühe den bösen
Feind oder die einzelnen Laster unter wirklich thierischer
In der oft vorkommenden Sirene glauben französische Ar-
chäologen ein Symbol entweder der durch die Taufe gereinigten Seele
oder der göttlichen Gnade zu erkennen (Piper a. a. 0. S. 385). Allein
diese aus dem Alterthum überlieferte und derWunderliebe des Mittel-
alters zusagende Gestalt hat entweder keine Bedeutung oder die
antike der "Verlockung," gegen welche auch der Christ sein Ohr
verstopfen muss. S0 wird sie auch im Texte der Herrad von Lands-
perg (Vgl. Engelhardt a. a. 0. S. 46) ausgelegt. In gewissen Fällen
kommt sie jedoch in einer Weise vor, welche diese Auslegung nicht
gestattet und auf eine schwer zu errathende Symbolik schliessen
lässt. So namentlich am Nordportale der Stephanskirche zu Beauvais,
wo im Tympan selbst der Kopf einer gekrönten Frau zwischen zwei
solchen Meerfräulein hervortrilt. Eine Abbild. b. Taylor u, Nodier,
voy. dans Pancienne France (Picardie).