Der
Heiligenschein.
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rhythmischen Gliederung in symmetrischen Gegensäjzen,
Ihr wurden daher nicht die höheren symbolischen Auf.
gaben, sondern mehr historische, legendarische Gegen-
Stände zugewiesen, welche sie in vielen einzelnen, linien-
weise aneinander gereihten Feldern, Wie in chronolo-
gischer Erzählung darstellte. Nur an gewissen Stellen,
in den Gewölbfeldern und in den Glasgemälden der
Fenster , trat sie in so nahe Beziehung zur Architektur,
dass auch sie sich zur Durchführung grösserer Gedanken
eigneten.
Bevor ich aber die Art und Bedeutung dieser grossen
Compositionen näher schildere, muss ich manches Ein-
zelne über die Darstellungsformen des Mittelalters vor-
ausschicken.
Wir sehen aus dem Angeführten, dass die Richtung
dieser Kunst im Ganzen und Grosscn eine symbolische
war, in dem Sinne nämlich, in welchem man auch die
ganze Weltanschauung dieser Zeit so nennen darf. Allein
es finden sich auch Spuren einer Symbolik gröberer Art,
welche der Schwäche der Darstellungskraft durch äusser-
liche Zeichen zu Hülfe kam.
Dahin gehört vor Allem der Heiligenschein?) Er
ist ein eigentliches, aber auch wohl erklärbares Symbol,
das man nicht erst, wie Einige versucht haben, aus der
Nachahmung eines in südlichen Gegenden vorkommenden
Phänomens zu erklären braucht. Der moralische Eindruck
einer bedeutenden Erscheinung gleicht so sehr dem phy-
sischen, den das von einem leuchtenden Gegenstande
ausstrahlende Licht machen würde, dass die Phantasie
den Nimbus, Icono-
Vgl. Didron's gründliche Abhandlung über
nphie chrötienne (Paris, 1843, 4.) S. 26-165.