Symbohk
des
Raums.
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bedurfte der anderen, die Plastik der architektonischen
Grundlage, die Architektur, da ihre Formen eine bestän-
dige Fortsetzung gestatteten, des bildnerischen Schmußks
um ihren endlichen Abschluss zu bezeichnen. Die Archi-
tektur trug den Keim dieser Plastik in sich. Besonders
deutlich ist dies am gothischen Style; die Vertißalen Glieder
sind schon fast Individuen, sie sprechen in ihren weichen,
zum Bogen entfalteten Formen die Hingebung freier
Wesen aus und die symmetrische und perspeclivische
Verbindung dieser Glieder giebt denselben Gedanken der
Einheit wie jene Gruppe. Beide Künste sagen dasselbe
nur in anderer Sprache, die plastische Gruppe in der des
Lebens, die architektonische in abstracter Form.
Diese Gruppen bestanden zwar aus einzelnen Statuen,
die aber, da sie einem grösseren Ganzen angehörten und
nur von vorn, nicht vom Rücken sichtbar waren, fast den
Eindruck eines Reliefbildes machten, und zwar eines
nach völlig malerischen Rücksichtenxperspectivisch an-
geordneten. Diese malerische Tendenz zeigte sich nun
am eigentlichen Relief noch mehr ausgebildet. Schon
inder altchristlichen Kunst hatte man, wie wir gesehen
haben, den antiken Reliefstyl, welcher die Figuren im
Profile und in fortschreitender Richtung zeigte, verlassen,
und die Gestalten in der Vorderansicht und symmetrisch
neben einer Mittelfigur aufgestellt. Im Mittelalter ging
man viel weiter, statt dass dort die Gestalten noch auf
einer Linie standen, wurden jetzt mehrere Reihen
übereinander angebracht, so dass sie mehrere in ver-
schiedenen Entfernungen sich zutragende Ereignisse gleich-
zeitig, also wie in der perspectivischeu Uebersicht eines
Weiten Raums darstellten. Diese Veränderung der Form
hing mit der Veränderung des religiösen Standpunktes