Das
architekt.
Element
Auffassung.
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Endlich zeigte sich an der Architektur die wichtigste
Anwendung des geometrischen Elements, nämligh die auf
die Anordnung der Gruppen. Wir sahen schon in der
Architektur selbst die Tendenz, Gruppen zu bilden; dies
war auch das Ziel der Plastik. Für alleinstehende Statuen
war sie so lange sie den Ausdruck vollendeter Individua-
lität nicht zu geben vermochte, weniger geeignet, wohl
aber konnte sie eine bedingte, auf Andere hinweisende
und an sie sich anschliessende Schönheit ausbilden. Sie
entsprach dadurch der christlichen Anschauung, die nicht
einzelne Götter und I-Ieroen, sondern nur Scharen gleich-
artiger Gestalten, Engel und Heilige, Apostel und Pro-
pheten, Märtyrer und Bekenner vor Augen hat, und selbst
die Gottheit nicht einsam betrachtet. Diese christliche
Gruppe war aber eine ganz andere als die, welche in
der letzten griechischen Epoche aufkam, und die körper-
liche Verschlingung von Gestalten im Drange eines ent-
scheidenden Moments darstellte. Sie glich auch nicht
jenen Giebelgruppen der älteren griechischen Kunst, bei
denen doch immer eine äussere Handlung zum Grunde
lag, welche sich nur den äusseren Schranken des archi-
tektonischen Raumes figte. Sie hatte vielmehr die Auf-
gabe, ein ruhiges Beisammensein, innerliche Beziehungen
und Verhältnisse zu versinnlichen, was nur durch die
Stellung der Gestalten zu einander angedeutet werden
konnte. Hiedurch bekam der Raum an sich, der geo-
metrische Grund- und Aufriss der Gruppe, eine eigen-
thümliche Bedeutsamkeit. Eine gewisse Symbolik des
Raums liegt in der Natur der Dinge, die Sprache aller
Völker bezeugt sie, indem sie die Begriffe von Höhe,
Niedrigkeit u. s. f. auf geistige Beziehungen anwendet,
und auch die bildende Kunst hat sie stillschweigend immer